Sportreporter
läßt du dir einfach einen anderen geben). Nichts anderes gibt mir dieses Gefühl einer »Freiheit innerhalb vernünftiger Grenzen«. Heute neu. Morgen neu. Ewige Erneuerung auf einer Ebene, die zu bewältigen ist.
Ich mache mich auf den Weg zu der Schlange der schneebedeckten Taxis in der Larned Street, doch als ich zu der eisigen Ecke komme, läßt mich ein Geräusch jäh anhalten und einen Moment stehenbleiben. In der frostigen Luft dieses Samstagmorgens rauscht aus den Schächten und Gassen ein schwaches hsss durch die Straßen der Stadt, als peitsche irgendwo in der Nähe ein kalter Wind durch Seegras und, als sei ich hier draußen beim Fluß, am Rande der Dinge, irgendwie in Gefahr. Ich habe keine Ahnung, was für eine Gefahr das sein könnte. Aber ich weiß natürlich, daß ich nun ein heikles Wettrennen mit meiner eigenen Gemütsverfassung bestreite und darauf vertraue, daß meine Begeisterung die Gefahren der üblichen, für den mittleren Westen so typischen Nüchternheit aus dem Feld schlagen wird, denn diese Nüchternheit kann sich rasch gegen dich verschwören und dich wie einen verlorenen Gefangenen zugrunde richten.
Mein Taxifahrer ist ein riesiger Farbiger namens Lorenzo Smallwood, der mich an den Schauspieler Sydney Greenstreet erinnert und mit gestreckten Armen hinterm Lenkrad sitzt. Vorn auf der Ablage hat er eine Sammlung kleiner gerahmter Bilder von Babys, zwei Paar Babyschuhe und ein Deckchen mit weißen Fransen; sehr gesprächig ist er allerdings nicht, und wir reihen uns rasch in den vom Schnee beeinträchtigten Verkehr ein, schlängeln uns zwischen schmuddeligen Lagerhäusern und alten Hotels hindurch zur Grand River Avenue und fahren dann weiter in Richtung der nordwestlichen Vororte. Es gehe heute schneller voran, sagt Mr. Smallwood mit brummiger Gleichgültigkeit, wenn man auf den »richtigen Straßen« bleibe und »den Lodge« meide, denn der sei bereits voll mit all den Arschlöchern, die zu ihren Blockhütten im Norden wollten.
Strathmore, Brightmoor, Redford, Livonia – eine Traummeile besonderer Art. Wir fahren mit hoher Geschwindigkeit durch die kleinen zusammengebauten Ortschaften und Städtchen am Rande der eigentlichen Innenstadt, vorbei an weißen, mit Dachgauben versehenen Holzhäusern in jüdische Viertel mit solideren roten Backsteinhäusern, bis wir auf einen breiten Boulevard mit Einkaufszentren und ganzen Bündeln von Verkehrsampeln kommen, wo die Häuser neuer sind und sich zu rechtwinkligen Einheiten zusammenfügen. Die Leute auf der Straße sind alle »anständig« angezogen, für die Bewohner Michigans eine Frage überkommenen Stolzes. Ein verrückter Schneesturm im Frühling wirft hier noch keinen um. Jeder hat noch eine Schneehaube auf seinem Plymouth und ein fachmännisch-wetterfestes Wintergesicht. In Michigan kann jeder mit einem Starthilfekabel, einer Drehbank und einer Schneefräse umgehen. Die mechanisch-praktische Seite der Dinge wird hier nie zum Problem. Es ist das, was an diesem sonst so grauen und wenig einnehmenden Panorama verläßlich und reizvoll ist.
Weit draußen auf der stark befahrenen Grand River Avenue fällt mir auf, daß es hier ungeahnt viele Restaurants gibt und daß die Bevölkerung geradezu versessen darauf ist, zum Essen auszugehen. Im gleichen Maße, in dem die Leute sich mit Autos beschäftigen, denken sie auch ans Essen. Doch die Lokale haben ihre ganz eigene, zu Herzen gehende Ausstrahlung – Steakhäuser, Hofbräus, Ratskeller, Grillstuben, Cafés – durchweg in guter Qualität. Hier findet sich ein Teil dessen, was das Leben im wesentlichen ausmacht. Und an einem dumpfen Frühlingsabend kann ein flotter Ausflug zu einem dieser Lokale genau das richtige Rezept sein, eine gottverlassene Einsamkeit für eine weitere Nacht erträglich zu machen. Im großen und ganzen, das garantiere ich, weiß Michigan genau, was es tut. Es weiß, wer der Gegner ist und wie die Chancen stehen, ihn zu besiegen.
Mr. Smallwood biegt in ein leuchtend weißes Drive-in-Restaurant ein, das sich The Squatter nennt, und fragt, ob ich auch einen Krapfen will. Ich bin vom Frühstück noch mehr als satt, aber während er im Restaurant ist, steige ich kurz aus, um im Ponchartrain anzurufen. Ich habe in der kurzen Zeit etwas von meiner Begeisterung für diesen Tag zurückgewonnen – das Vibrieren in meinem Magen ist weg –, und ich möchte das alles mit Vicki teilen, zumal ich nicht weiß, in welcher neuen Welt und in welchen Umständen sie sich beim
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