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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Footballprofi, Herb?«
    »Elf Jahre«, antwortet Herb trübsinnig. »Ein Jahr in Kanada. Eins in Chicago. Dann haben sie mich hierher verkauft. Und ich bin geblieben. Wissen Sie, Frank, in letzter Zeit beschäftige ich mich viel mit Ulysses Grant.« Er nickt bedächtig. »Als Grant im Sterben lag, sagte er: ›Ich glaube, ich bin ein Verb statt eines Personalpronomens. Ein Verb steht für Sein, Tun, Leiden. Ich stehe für alle drei.‹« Herb nimmt die Brille ab, hält sie in seinen kräftigen Sportlerfingern und studiert das Gestell. Seine Augen sind rot. »Da ist etwas Wahres dran, Frank. Aber was zum Teufel hat er wohl damit gemeint? Ein Verb?« Herb blickt mit sorgenvoller Miene zu mir herauf. »Das läßt mir schon seit Wochen keine Ruhe mehr.«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, Herb. Vielleicht hat er eine Art Bestandsaufnahme gemacht. Manchmal halten wir die Dinge für wichtiger, als sie wirklich sind.«
    »Es hört sich aber nicht gut an, oder?« Herb widmet sich wieder seiner Brille.
    »Schwer zu sagen.«
    »Ihr Heiligenschein ist weg, Frank, wußten Sie das? Jetzt sind Sie so wie all die anderen Menschen.«
    »Ich finde das ganz in Ordnung. Es stört mich nicht.« Ich bin mir jetzt ziemlich sicher, daß Herb verdammt ernsten Stimmungsschwankungen ausgesetzt ist und aller Wahrscheinlichkeit nach seine Stabilisierungspille nicht genommen hat. Möglicherweise ist das einfach seine Art, offen und ehrlich zu reden und sein Innerstes bloßzulegen; nur glaube ich nicht, daß sich daraus ein sehr gutes Interview machen läßt. Interviews laufen immer besser, wenn Sportler einigermaßen fest in der Welt stehen und bereit sind, sich dazu zu äußern.
    »Ich will Ihnen einfach mal sagen, was es meiner Meinung nach bedeuten könnte«, sagt Herb und kneift seine geschwächten Augen zusammen. »Ich glaube, er hatte das Gefühl, nur noch eine Tätigkeit zu sein. Verstehen Sie das, Frank? Und diese Tätigkeit war im Begriff zu sterben.«
    »Aha.«
    »Und das ist eine furchtbare Erkenntnis. Daß man nicht ist , sondern nur tut .«
    »Na ja, vielleicht hat Grant das so gesehen, Herb. Er hat auch sonst so manches falsch gesehen. Eine ganze Menge sogar.«
    »Hier geht es um das wirkliche Leben, Frank, Herrgott noch mal! Es ist mir ernst!« Herbs Gesicht kämpft mit der grimmigsten Intensität und wird dann genauso plötzlich wieder ausdruckslos. »Ich hab erst neulich gelesen, daß Amerikaner immer meinen, das wirkliche Leben sei anderswo, um die Ecke, in einer anderen Straße. Aber das hier ist es, nur das!« Herb klatscht wieder mit den offenen Händen auf die Armlehnen. »Sie wissen doch, auf was ich hinauswill, Frank?«
    »Ich glaube schon, Herb. Ich geb mir ja Mühe.«
    »Himmel Herrgott!« Herb stöhnt wütend auf. »Sie haben sich noch nicht mal Notizen gemacht.«
    »Es ist alles hier oben«, sage ich und tippe mit dem Finger gegen die Schläfe.
    Herb starrt finster zu mir herauf. »Wissen Sie eigentlich, wie das ist, wenn man seine Beine nicht mehr bewegen kann, Frank?«
    »Nein, das weiß ich nicht, Herb. Das ist ja wohl offensichtlich.«
    »Ist Ihnen schon mal ein vertrauter Mensch weggestorben?«
    »Ja.« Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, daß ich mich über Herb noch richtig ärgern werde, bevor das vorbei ist.
    »Okay«, sagt Herb. »Es ist so, daß die Beine verstummen, Frank. Ich kann meine nicht mehr hören.« Sein wildes Lächeln soll wohl heißen, daß es möglicherweise noch verdammt vieles gibt, von dem ich keine Ahnung habe. Die Leute verstehen dich natürlich immer völlig falsch. Weil du zu ihnen zum Interview kommst, glauben sie automatisch, daß du sie nur benutzt, um die Fülle dessen, was in der Welt bereits bekannt ist, bestätigt zu bekommen. Doch was mich angeht, so könnte dieser Irrtum kaum größer sein. Gewiß, ich habe einen anderen Herb Wallagher erwartet als den Herb Wallagher, den ich in Wirklichkeit angetroffen habe, einen beherzteren, risikofreudigeren, besser gelaunten Mann, einen Typ, der, wenn er könnte, einen Kompaktwagen hinten anheben würde, um dir aus einer Patsche zu helfen. Angetroffen habe ich jemanden, der allem Anschein nach so verträumt ist wie eine Schleiereule. Aber die Lektion ist nicht neu für mich. Man darf, wenn man in eine solche Sache reingeht, nicht glauben, man wisse, was man gar nicht wissen kann. Das sollte für angehende Journalisten in jedem Kurs und in jedem Lehrbuch die oberste Regel sein; zu viele Aspekte des Lebens – selbst wenn es um das

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