Sportreporter
mehr oder weniger geheim. Ein anderer spielt an meiner Stelle. Mit meiner Nummer. Ich hoffe, Sie machen das nicht publik und verderben alles.«
»Auf keinen Fall, Herb. Ich geb Ihnen mein Wort darauf.«
Herb sieht mich, während wir uns Mr. Smallwoods Taxi nähern, voll Verwunderung an. »Wieso tun Sie’s eigentlich, Frank. Seien Sie ehrlich.«
»Wieso tu ich was, Herb?« Obwohl ich weiß, was jetzt kommt.
Aus irgendeinem Grund hat Herb offenbar Mühe, seinen Kopf stillzuhalten. Er ist ständig in Bewegung. »Sie können kein echter Sportliebhaber sein, Frank«, sagt er. »Sie sehen mir einfach nicht wie ein Sportliebhaber aus.«
»Manche Sportarten mag ich mehr, andere weniger.« Im Grunde ist die Frage gar nicht so ungewöhnlich.
»Aber würden Sie sich nicht lieber über etwas anderes unterhalten?« Herb schüttelt den großen Kopf, immer noch voller Verwunderung. »Beispielsweise über Winslow Homer?«
»Über den würde ich mich gern mit Ihnen unterhalten, Herb. Jederzeit. Über etwas zu schreiben ist ganz anders, als es selbst zu tun. Kann das vielleicht ein paar Dinge erklären?« Aus irgendeinem Grund spüre ich wieder dieses Vibrieren im Zwerchfell und drum herum.
» Hoch interessant, Frank.« Herb nickt mir mit echter Bewunderung zu. »Ich bin mir zwar nicht sicher, daß damit auch nur ein Furz erklärt ist, aber interessant ist es. Das muß ich sagen.«
»Es ist ganz schön schwierig, das eigene Leben zu erklären, Herb.« Bestimmt ist das Zittern in meinem Bauch sichtbar, wenn auch vielleicht nicht für Herb, für den wahrscheinlich die ganze Welt die ganze Zeit zittert. Es macht ihm immer noch Schwierigkeiten, den Kopf stillzuhalten. »Ich glaube, ich habe genug gesagt. Schließlich sollte ich derjenige sein, der hier Fragen stellt.«
»Ich bin ein Verb, Frank. Verben beantworten keine Fragen.«
»So dürfen Sie nicht denken, Herb.« Mein Zwerchfell knistert. Herb und ich sind noch keine Stunde zusammen, aber man hat in seiner Nähe sehr stark den Eindruck, daß er irgend jemanden erwürgen möchte und daß seine Hände bei der Entscheidung für einen Hals nicht wählerisch sein würden. Wenn einer einen so großen Teil seines Lebens damit verbracht hat, andere über den Haufen zu rennen und ihnen weh zu tun, muß es schwer für ihn sein, plötzlich damit aufzuhören und friedlich sitzen zu bleiben. Es muß schwer sein, denke ich mir, etwas anderes zu tun, als weiterhin alles über den Haufen zu rennen. Jedenfalls fühle ich mich immer am wohlsten, wenn ich den Fluchtweg kenne. Hier ist etwas, das vermieden werden muß, und ich habe vor, es zu vermeiden. »Ich will versuchen, einen guten Artikel zu schreiben, Herb«, sage ich und bewege mich vorsichtig auf die hintere Tür von Smallwoods Taxi zu.
Clarice Wallagher steht jetzt auf der kleinen Veranda vor der Haustür und beobachtet uns. Sie ruft Herbs Namen und lächelt matt. Das muß allen hier so gehen: Verabredungen enden mit einem lähmenden Schweigen vor dem Haus; ein wartendes Taxi; Herb, der sich als Verb bezeichnet. Meine größte Bewunderung gehört ihr. Ich hatte gehofft, ein paar Worte mit ihr wechseln und sie zu Herbs »Heldentaten im Alltag« befragen zu können, aber das ist an uns vorbeigelaufen. Ich hoffe nur, daß es für sie spät in dunklen Nächten tröstliche Stunden gibt.
»Herb«, sagt Clarice mit einer hübschen Stimme, die am kalten Michigan-Wind zerbricht.
»Okay!« ruft Herb heroisch. »Muß jetzt gehen, Frank, muß gehen. Sie sollten die Geschichte meines Lebens schreiben. Da wären Beiträge zu verdienen, sechsstellig.« Wir geben uns die Hand, und wieder versucht Herb, mich in die Knie zu zwingen. Ein merkwürdiger Geruch umgibt ihn jetzt, etwas Metallisches; es ist der Geruch seines Rollstuhls. Er hat Blut an der Wange, dort, wo er das Fetzchen Papier abgeschält hat. »Ich wollte Ihnen eigentlich noch ein paar Filme von alten Meisterschaftsspielen zeigen. Ich hab sie alle in den Boden gerammt, Mann. Lassen Sie sich von dem Rollstuhl nicht täuschen.«
»Das nächste Mal sehen wir sie uns an, Herb, das versprech ich.«
Mr. Smallwood läßt den Motor aufheulen, und als er den Gang einlegt, geht die Karosserie kurz in die Knie.
»Ich weiß nicht, was manchmal los ist, Frank.« Herbs traurige blauen Augen füllen sich plötzlich mit heißen Tränen, und er schüttelt den großen Kopf, um sie abzuschütteln. Es ist die Traurigkeit dessen, der das schwer faßbare Leben flüchtig zu sehen bekommen und dann
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