Sportreporter
ich bin in diesem Moment tatsächlich froh, daß Herb im Rollstuhl sitzt, denn möglicherweise würde er mich erwürgen, wenn er könnte.
»Es ist wohl Zeit, daß wir zurückgehen, Herb.«
Er hat seine Brille abgenommen und putzt sie an seinem BIONIC -Hemd. Aber er lacht tatsächlich immer noch. »Sicher, okay.«
»Ich habe genügend Stoff für einen guten Artikel. Und es wird langsam kühl hier draußen.«
»Du bist ein elender Schwätzer, Frank«, sagt Herb lächelnd zu dem leeren Landungssteg. Auf dem See fliegt ein Entenpaar dicht über der Wasseroberfläche, schnell und schnurgerade. Sie ändern abrupt die Richtung, berühren die glänzende Wasserfläche und sind nicht mehr zu sehen. »Mann, Frank, du bist wirklich ein elender Schwätzer.« Herb schüttelt in höchster Verwunderung den Kopf.
Schweigend machen wir uns auf den Rückweg, den Glacier Way hoch, Herb in seinem silberglänzenden Rollstuhl direkt neben mir. Alles ist durcheinandergeraten, nur weiß ich nicht genau, warum. Möglicherweise habe ich ihn negativ beeindruckt. Manchmal reagieren die Leute empfindlich, wenn ihnen klar wird, daß Sportreporter nur Männer oder Frauen sind. (Die Leute wollen oft, daß andere besser sind als sie selbst.) Doch unter diesen Umständen ist es einem nahezu unmöglich, einen Beitrag zu leisten oder sich auch nur redlich Mühe zu geben. Ja, es geht so weit, daß du nur noch den Wunsch hast abzuhauen und eine Apotheke aufzusuchen, von denen es in New Jersey genug gibt.
»Wir haben uns nicht viel über Football unterhalten«, sagt Herb nachdenklich. Er ist jetzt so vernünftig und kühl wie ein alter Sextant.
»Ich hatte irgendwie das Gefühl, daß Ihnen nicht so viel daran lag, Herb.«
»Es scheint mir heute wirklich nicht mehr wichtig, Frank. Im Grunde ist es, davon bin ich inzwischen überzeugt, eine ziemlich miese Vorbereitung auf das spätere Leben.«
»Ich würde aber trotzdem sagen, daß ehemaligen Footballspielern einiges fürs Leben mitgegeben worden ist. Ausdauer. Teamwork. Kameradschaft. Solche Dinge.«
»Blödsinn, Frank, vergessen Sie’s. Der Rest meines Lebens liegt klar vor mir, wenn alles klappt. Ich hab ziemlich große Pläne. Der Sport ist nur noch Erinnerung für mich.«
»Sie reden jetzt von dem geplanten Jurastudium und so.«
Herb nickt wie ein Leichenbestatter. »Davon rede ich.«
»Sie haben eine Menge Mut, Herb. Es erfordert, glaube ich, Mut, so zu sein wie Sie.«
»Schon möglich«, sagt Herb und bleibt kurz bei dem Gedanken. »Aber manchmal hab ich Angst, Frank. Ich kann Ihnen sagen. Fürchterliche Angst.« Wir sind jetzt einfach zwei Typen bei einem Plausch. Genau, wie ich gehofft hatte. Vielleicht ließe sich ja immer noch ein unkompliziertes, altmodisches Interview zuwege bringen. Ich taste nach meinem Recorder.
»Auch ich hab manchmal Angst, Herb. Es ist bei Menschen ganz natürlich, würde ich sagen.«
»Also gut «, sagt Herb mit einem Glucksen und nickt gequält.
Als wir um die Ecke biegen, sehe ich Mr. Smallwoods gelbes Taxi vor Herbs Haus warten; sein Besuch in Wixom ist anscheinend schiefgegangen. Seit meiner Ankunft hier ist es kälter geworden, und am Himmel hängen jetzt dunkle Wolken. Schon gegen Abend wird es hier mächtig schneien, und Vicki und ich können von Glück sagen, daß wir dann schon weit weg sind. Die Ereignisse nehmen einen seltsamen Verlauf, nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte, aber ich bin andererseits auch nicht überrascht.
Ein Mann in einer braunen Autojacke kommt, gerade als wir vorbeigehen, aus seinem Haus, in der Hand eine Dose Motoröl. Sein Haus hat die gleiche architektonische Grundform wie Herbs Haus, nur daß an der Seite, wo früher die Garageneinfahrt nach hinten führte, ein Zimmer angebaut ist. Der Mann steht neben seinem Wagen – einem neuen Olds mit aufgeklappter Motorhaube – und grüßt Herb mit einer Handbewegung und einem »Wie-geht’s-wie-stet’s«.
»Primo. Numero uno«, ruft Herb grinsend zurück und schwenkt den Arm, als winke er einer Menschenmenge zu. »Der Mann hier will mich interviewen. Ich mach’s ihm verdammt schwer.«
»Lassen Sie sich bloß nichts gefallen«, ruft der Mann und taucht mit seinem kurzen Oberkörper unter die dunkle Motorhaube des Olds.
»Die Nachbarn glauben immer noch, ich spiele aktiv in der Mannschaft«, sagt Herb in einem gedämpften Tonfall und fährt den Glacier Way hinauf, seiner Frau und seinem Zuhause entgegen.
»Wie kann das sein?«
»Na ja, ich halte meine Verletzung
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