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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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andere, denn das war seine Aufgabe in der Welt.
    Ich lehne Mr. Smallwoods Angebot dankend ab, und er lacht auf eine fröhlich-spöttische Art leise vor sich hin. Danach fahren wir eine Weile schweigend auf die Stadt zu, diesmal auf dem Lodge, denn der Schnee ist weg, und der starke Verkehr ist jetzt weiter im Norden und hat eine graue und winterliche Schnellstraße zurückgelassen.
    Gegenüber dem Stadion der Tigers hält Mr. Smallwood vor einem Spirituosenladen, der, wie er sagt, seinem Schwager gehört; es ist ein kleines Fort Knox aus Eisengittern und dickem Panzerglas. Auf der anderen Seite der breiten Straße türmt sich weiß und leblos das große Stadion auf. An dem Vordach hängt ein Schild mit der schlichten Mitteilung: »Sorry, Leute. Macht euch einen schönen Tag.«
    Mr. Smallwood schlendert hinüber und kauft noch eine kleine Flasche Schnaps – auf meine Kosten, darauf bestehe ich –, und damit wärmen wir unsere Seelen auf der kurzen Fahrt hinunter zum Ponchartrain . Er sagt, er sei ein Fan der Tigers und er glaube, sie würden die Liga in den nächsten Jahren beherrschen. Er erzählt mir auch, seine Eltern seien in den vierziger Jahren aus Magnolia in Arkansas hierhergezogen, und er sei vor seiner Heirat eine Zeitlang an der Wayne State University gewesen und habe danach dann im Hauptwerk von Dodge gearbeitet. Letztes Jahr habe er dort aufgehört, sagt er, kurz vor der Entlassungswelle, und dann habe er sein Taxi gekauft. Und er sei froh, endlich sein eigener Herr zu sein und mittags immer heimgehen und mit seiner Frau essen und eine Stunde ausruhen zu können, ehe er am Nachmittag wieder rausgehe, wenn auf den Straßen Hochbetrieb herrsche. Er hoffe, sich eines Tages in Arkansas zur Ruhe setzen zu können. Er stellt mir keine Fragen, ist dazu entweder zu höflich oder zu sehr mit seinem eigenen interessanten Leben voller Arbeit und frei verfügbarer Zeit beschäftigt. Es ist ein schönes Leben, um das man ihn leicht beneiden könnte, wenn man es nicht selber schön hätte. Meiner Einschätzung nach ist er nicht viel älter als ich.
    Vor dem Hotel beugt sich Mr. Smallwood über den Beifahrersitz und sieht zu, wie ich auf dem windigen Gehweg Geld in meine Brieftasche zurückstecke. Einen Moment lang glaube ich, er will mir die Hand geben, aber das ist ganz und gar nicht seine Absicht. Das vereinbarte Fahrgeld habe ich ihm bereits gegeben, und die Schnapsflasche steht direkt neben seinem beachtlichen Bein auf dem Boden. Mein Geschenk an ihn.
    »Weiter unten an der Larned finden Sie ein gutes Steakhaus«, sagt er im Tonfall eines Fremdenführers und mit einem Grinsen, das mir die Frage aufdrängt, ob er sich nicht vielleicht über mich lustig macht. »Steaks so dick.« Er hält zwei große, klobige Finger gute fünf Zentimeter auseinander. »Sie können zu Fuß hingehen, das hier ist eine sichere Gegend. Ich bin gelegentlich mit meiner Frau dort. Trinken Sie ein Glas Wein, amüsieren Sie sich.« Irgendwie redet Mr. Smallwood jetzt wie ein Schwede der zweiten Generation, und ich begreife, daß er sich keineswegs über mich lustig macht, sondern nur versucht, ein guter Botschafter für seine Stadt zu sein, und daß er dafür einen besonderen Tonfall entwickelt hat.
    »Das hört sich sehr gut an«, sage ich, ohne bei all den Insidertips richtig hinzuhören; statt dessen halte ich das Ohr in das Pfeifen und Zischen der Großstadtluft. Es hat angefangen zu schneien.
    »Kommen Sie mal wieder, wenn wir schöneres Wetter haben«, sagt er. »Dann wird es Ihnen noch viel besser gefallen.«
    »Fragt sich nur, wann das sein wird.« Mit einem Lächeln gebe ich ihm das Stichwort zu dem alten Michigan-Scherz.
    »Schätzungsweise in zehn Minuten.« Noch einmal zeigt er mir sein breites Grinsen, wie schon vorher bei der Erwähnung der Hundertdollarhure. Die gelbe Wagentür knallt zu, er jagt davon, und ich bleibe im scharfen Wind am Straßenrand stehen, so verlassen wie ein einsamer Flügelstürmer.
    Aber nicht sehr lange.
    Als ich ins Hotelzimmer zurückkomme, läuft der Fernseher ohne Ton. Die Vorhänge sind zu, und draußen stehen zwei Tabletts mit Geschirr. Vicki liegt splitternackt auf dem zerwühlten Bett, trinkt ein 7-Up und liest in der Bordbroschüre. Es ist heiß und stickig im Zimmer, der schläfrig-sanfte Nachtduft ist verflogen. Übrig ist nur die traurige Vertrautheit aus den verträumten Tagen nach Ralphs Tod: ziellos in fremder Umgebung mit einer Frau, die ich nicht gut genug kenne und die mich ratlos

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