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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Ich hab ihm erzählt, ich sei in einer großen Suite mit Blick auf ein Renaissance-Zentrum. Ich hab aber nicht gesagt, wo.«
    »Wie hat er reagiert?«
    »›Das ist der Gang der Welt‹, waren seine Worte – ziemlich normal, würde ich sagen. Er wollte wissen, ob ich ihm nicht seine Stereoanlage schicken kann, die ich bei der Scheidung bekommen habe. Da oben ist alles irrsinnig teuer, nehme ich an, und wenn du alles mitbringst, was du brauchst, tust du dich leichter.«
    »Wollte er, daß du mitkommst?«
    »Nein. Und ich würde mich auch nicht darauf einlassen. So jemanden wie Everett heiratest du nur einmal im Leben. Das zweite Mal würde dich umbringen. Außerdem hat er bestimmt ein Mädchen, das mitgeht, da bin ich sicher.«
    »Aber was wollte er dann von dir?«
    »Ich hab angerufen, vergiß das nicht.« Sie sieht mich mißbilligend an. »Er wollte überhaupt nichts. Hast du noch nie im Leben das Bedürfnis gehabt, einfach zu telefonieren?«
    »Höchstens, wenn ich mich einsam fühle, Schätzchen. Ich war nicht der Meinung, daß du dich einsam fühlst.«
    »Stimmt«, sagt sie und blickt auf das stumme Fernsehbild.
    Detroit, das ist mir jetzt klar, hat sie nicht ganz so beeinflußt, wie ich gehofft hatte, und sie ist vorsichtig geworden, immer auf der Hut. Aber wovor? Möglicherweise hat sie unten in der Lobby jemanden gesehen, der sie zu sehr an sie selbst erinnerte (das kann ungeübten Reisenden passieren). Oder schlimmer noch: Niemand dort hat sie an irgend jemanden erinnert, den sie je gekannt hat. Beides kann für eine gute Gemütsverfassung bedrohlich sein und eine Zeit düsterer Zurückgezogenheit einleiten. Doch ein Anruf bei einem alten Liebhaber oder Ehemann kann das perfekte Gegenmittel sein. Sie erinnern dich immer daran, wo du gewesen bist und wo du hinzugehen glaubst. Und wenn du Glück hast, kommt dir der Ort, an dem du dich gerade aufhältst – in der Autometropole, in einem Schneesturm –, wie der einzig richtige Ort auf dem ganzen Planeten vor. Ich bin mir allerdings nicht sicher, daß Vicki dieses Glück hatte. Sie kann auch entdeckt haben, daß eine alte Flamme immer noch brennt, und weiß jetzt nicht, wie sie damit umgehen soll.
    »Hast du das Gefühl, daß du mit Everett befreundet sein möchtest?« Ich beginne mit der arglosesten aller Fragen und taste mich zur heikelsten vor.
    »Nie und nimmer.« Sie greift nach dem Laken und deckt sich damit zu. Sie ist jetzt noch mehr auf der Hut. Es könnte sein, daß sie mir etwas sagen will und nicht die richtigen Worte findet. Wenn ich jedoch auf den Müllhaufen der Freundschaft abgeschoben werden soll, dann will ich auch der wichtigsten Freundespflicht nachkommen und ermöglichen, daß sie sie selbst bleibt. Auch wenn ich mich lieber ins Bett kuscheln und die Zeit bis zum Abflug kurzweiliger gestalten würde.
    »Hast du nach dem Telefongespräch den Wunsch verspürt, mit mir befreundet zu sein?« sage ich lächelnd.
    Vicki dreht sich auf dem großen Bett herum, zur anderen Wand; sie hat das frisch gestärkte weiße Laken bis unters Kinn hochgezogen, und es sitzt jetzt so stramm wie ein Leichentuch. Ich habe den wunden Punkt getroffen. Nach einem Tag und einer Nacht mit mir sieht sie selbst Everett in einem besseren Licht. Sie braucht etwas anderes, und ich genüge den Ansprüchen nicht einmal mit Sekt, einer halben Suite, Kornblumen und einem Blick hinüber nach Kanada. Vielleicht ist das gar nicht so überraschend, wenn ich mir’s recht überlege, denn dadurch, daß ich meine eigenen Ansprüche zurückgeschraubt habe, habe ich vielleicht auch die Hoffnungen bagatellisiert, die sie für sich selbst hatte. Ich bin allerdings ein Experte, wenn es darum geht, solche Dinge widerspruchslos hinzunehmen. Für Schriftsteller – selbst Sportreporter – ist eine schlechte Nachricht immer leichter als eine gute, denn sie ist schließlich geläufiger.
    »Ich will mit dir nicht befreundet sein, nicht nur befreundet«, sagt Vicki mit einer winzigen Mäusestimme, von einem Wall weißer Laken umgeben. »Ich hab wirklich geglaubt, mit dir könnte es einen Neuanfang geben.«
    »Und warum glaubst du’s jetzt nicht mehr? Nur weil du mich beim Wühlen in deiner Handtasche erwischt hast?«
    »Blödsinn. Das war doch nichts«, sagt sie immer noch leise. »Leben und sterben lassen, sag ich. Du kannst auch nicht anders. Gestern war wohl einfach nicht dein Tag.«
    »Gut, aber was ist es denn sonst?« Ich frage mich wirklich, wie oft ich das oder etwas Vergleichbares zu

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