Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
Vom Netzwerk:
einer Frau gesagt habe, die blaß durch mein Leben geisterte. Was denkst du gerade? Du bist so still geworden. Du kommst mir plötzlich so anders vor. Was ist denn los? Liebe mich , heißt das natürlich. Oder wenigstens: Ergib dich. Oder aller wenigstens: Nimm dir die Zeit und mach mir die Freude zu erklären, warum du nicht willst, und am Ende willst du dann vielleicht.
    Von draußen kommt das schneidende Aufheulen einer mächtigen Windbö, die um die Ecke des Hotels fegt und dann hinaus in den kalten, erbärmlichen Detroit-Nachmittag. Um fünf könnte der Schnee ebensogut in Regen übergehen, um sechs könnten die Sterne herauskommen und gegen Abend könnten Vicki und ich die Larned entlangbummeln, auf dem Weg zu einem Steak oder Kotelett. Auf nichts ist hier draußen absolut Verlaß. Das Leben stemmt sich gegen einen gemeinen Wind, der plötzlich nachlassen könnte.
    »Also gut«, sagt Vicki und dreht sich herum, um mich aus ihrer Kissen- und Lakenhöhle heraus anzusehen. »Du weißt doch, ich bin hinuntergegangen, als du weg warst. Das war einfach, weil ich dazugehören wollte. Gebraucht hab ich nichts. Ich war in dem kleinen Zeitungsstand da unten, und da hab ich dieses Taschenbuch in die Hand genommen. Auch Sie können es mit der ganzen Welt aufnehmen , von Dr. Barton. Weil ich doch das Gefühl hatte, daß alles neu anfing, wie gesagt. Mit dir und mir. Ich hab mich also neben den Buchständer gestellt und ein Kapitel mit der Überschrift ›Unsere New-Age-Anhänger‹ gelesen. Es geht da um Leute, die keine Kartoffelchips mehr essen, sich diesen Selbsterfahrungsgruppen anschließen und Mineralwasser trinken und jeden Tag literarische Diskussionen führen. Leute, die glauben, sie könnten’s leicht schaffen, ihre Gefühle auszudrücken und so zu sein, wie andere sie sehen. Und da hab ich einfach losgeheult, weil ich begriffen habe, daß du dazugehörst und daß ich weit davon weg bin, völlig daneben. Immer noch bei den Kartoffelchips und unter Leuten, die nicht vergeistigt aussehen. Da hatten wir nun die weite Reise hierher gemacht, und ich war zu nichts anderem fähig, als Garnelen zu essen und fernzusehen und zu heulen. Und es haute nicht hin. Da dachte ich mir, vielleicht könnten wir ja – wenn du wolltest – gute Freunde sein. Ich rief Everett an, weil ich wußte, bei ihm schaff ich es, mit dem Heulen aufzuhören. Ich wußte, ich war besser dran als er.« Eine große, hübsche Träne löst sich von ihrem Auge, läuft ihr über die Nase und verschwindet im Kopfkissen. Innerhalb von nur zwei Stunden ist es mir gelungen, zwei verschiedene Menschen zum Weinen zu bringen. Irgend etwas mache ich falsch. Aber was?
    Zynismus.
    Ich bin zynischer geworden als der alte Jago, denn kein Zynismus ist so ausgeprägt wie eine lebenslange Eigenliebe und der Tunnelblick, bei dem du am Ende des Tunnels immer nur dich selber siehst. Es ist peinlich. Desgleichen vermittelt nichts einem Menschen so sehr das Gefühl, wertlos zu sein, wie der Eindruck, daß jemand versucht, ihm zu helfen – selbst wenn der Eindruck falsch ist. Ein zynischer »New-Ager« – damit bin ich exakt beschrieben, ein jämmerlicher Selbstbeobachter und Kartoffelchipsverächter mit einer überempfindlichen, stets die offene Aussprache suchenden Mentalität – obwohl ich die Kronjuwelen dafür geben würde, nicht dieser Typ zu sein oder wenigstens nicht dafür gehalten zu werden.
    Meine einzige Hoffnung besteht nun darin, alles zu leugnen – Freundschaft, Ernüchterung, Peinlichkeit, die Zukunft, die Vergangenheit – und ganz auf die Gegenwart zu setzen. Wenn ich sie an diesem kalt-heißen Nachmittag in die Arme nehmen und an mich drücken und ihren Kummer mit Inbrunst wegküssen kann, so daß ich, wenn die Sonne untergegangen ist und der Wind nachgelassen hat und ein Frühlingsabend uns aus der Reserve lockt, daß ich sie dann vielleicht doch noch liebe und sie mich, und all die Probleme werden dann nur die Folgen der besonderen Umstände gewesen sein – zuwenig Schlaf in einer fremden Stadt, Schnaps und Herb.
    »Ich bin eigentlich kein New-Ager«, sage ich und setze mich auf die Bettkante, so daß ich ihre Wange berühren kann, die so warm ist wie die eines Babys. »Ich bin nur ein altmodischer Kerl, der falsch verstanden worden ist. Laß uns so tun, als seien wir gerade erst angekommen, am späten Abend, und ich hielte dich in meinen altmodischen Armen, um dich zu lieben.«
    »Du meine Güte.« Sie streckt zaghaft die Hand aus und gibt mir

Weitere Kostenlose Bücher