Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
Wahrnehmung.
Hinsichtlich der visuellen Wahrnehmung werden im Entwicklungsverlauf bei zwei bis dreijährigen Kindern neben Auffälligkeiten in der psychomotorischen Koordination vor allem Schwierigkeiten in der visuellen Planung etwa beim Organisieren von Puzzleaufgaben beschrieben, bei vier- bis fünfjährigen Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen beobachtet man bei mindestens30 bis 40% einen signifikant verzögerten Verlauf der zeichnerischen Fertigkeiten (Hill 2001).
Im Testprofil der fünf- bis sechsjährigen Kinder der Kaufman Intelligenzskala für Kinder (K-ABC) zeigt sich einerseits ein signifikanter Unterschied zwischen der Skala einzelheitlichen Denkens und der Skala ganzheitlichen Denkens. Gleichzeitig fallen bei einer Teilgruppe der Kinder Auffälligkeiten bei den Dreiecken und im räumlichen Denken (Obzrut et al. 1987), also in der visuellräumlichen Planung auf.
Ein weiterer Entwicklungsbereich, dessen Bedeutung wir im Entwicklungsverlauf von Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen stets im Auge behalten, betrifft das Aufmerksamkeitsverhalten. So wird in der Literatur bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen bei einem hohen Prozentsatz auch eine Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung diagnostiziert. Auch wenn es sich hier oft um Kinder aus kinderpsychiatrischen Stichproben handelt (Carte at al. 1996, Cohen et al. 1998, 2000), zeigen im gleichen Sinne die Ergebnisse der Langzeitstudie von Beitchman et al. (1987) einen hohen Anteil von Übereinstimmungen zwischen diesen Diagnosebereichen.
Tatsächlich zeigt sich in der Verlaufsbeobachtung von Kindern im Vorschulalter, dass in einer bestimmten Entwicklungsphase die Merkmale der Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörung (etwa im Altersbereich zwischen 2 und 3 Jahren) im Vordergrund stehen können, zu einem späteren Zeitpunkt, zwischen 4 und 5 Jahren, die sprachlichen Lernprobleme. Im schulischen Rahmen können dann wieder stärker die Aufmerksamkeitsstörungen eines Kindes in den Vordergrund rücken. Da wir eine enge Wechselbeziehung zwischen Aufmerksamkeit, exekutiven Funktionen und der kognitiven Entwicklung annehmen müssen, lässt sich auch aus diesen Ergebnissen ein komplexes Wechselspiel zwischen sprachlichen und kognitiven Prozessen ableiten.
Ein letzter Bereich, der im Fokus der klinischen Beobachtung steht, sind die emotionale und soziale Entwicklung von Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen. Die Erklärungen für die vielfältigen Schwierigkeiten in der emotionalen Regulation (Clegg et al. 2005) beziehen oft Defizite von sprachauffälligen Kindern im symbolischen Spiel, in den exekutiven Funktionen und in der Selbststeuerung mit ein. Ein enges Wechselspiel zwischen der sozial-emotionalen Entwicklung und der frühen kognitiven Entwicklung wird also implizit angenommen.
In der folgenden Übersicht sollen die Schwerpunkte der klinischen Beobachtung über verschiedene Altersstufen hinweg nochmals im Vergleich dargestellt werden. Die genannten Entwicklungsdomänen sollten bei Hinweisen auf spezifische Entwicklungsauffälligkeiten im Einzelnen durch geeignete entwicklungsdiagnostische Untersuchungsverfahren überprüft werden.
Zusammengefasst findet sich ein komplexes Wechselspiel in den sprachlichen und kognitiven Kompetenzen von Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen im Laufe des Kleinkind- und Vorschulalters. Auch wenn diese Wechselbeziehungen in den letzten Jahrzehnten Gegenstand einer Reihe von umfassenden Untersuchungen gewesen sind (Beitchman et al. 1994, Clegg et al. 2005), ist die Gewichtung der einzelnen Funktionsstörungen im klinischen Rahmen noch mit vielen Unsicherheiten behaftet. Welche Bedeutung die beschriebenen assoziierten Entwicklungsauffälligkeiten für die therapeutische Planung bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen haben, bleibt ein wichtiges Forschungsthema für die nächsten Jahre. Insbesondere die Frage, ob die Förderung von assoziierten kognitiven Auffälligkeiten tatsächlich eine Wirkung auf den Verlauf der sprachlichen Kompetenzen hat.
Tabelle 1: Sprachentwicklungsstörungen und assoziierte Entwicklungsstörungen
Auffällige kognitive Entwicklung und normaler Verlauf der Sprachentwicklung?
Die Sprachentwicklung bei Kindern mit Williams-Beuren-Syndrom zeigt eine Reihe von Besonderheiten, die für die Frage des Zusammenspiels von Sprache und kognitiver Entwicklung immer wieder als atypisches Beispiel zitiert werden. Typischerweise verläuft die Sprachentwicklung bei Kindern mit
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