Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
später noch eingehen werden.
Weinert formuliert als übergeordnete Thesen, dass zum einen »die Denkentwicklungund die entwickelten Denkkompetenzen (…) von großer Bedeutung für den Spracherwerb sind« (Weinert 2000, S. 351). Demnach liefert die kognitive Entwicklung die Rahmenbedingungen für das Lernverhalten des Kindes. Aber bislang wissen wir noch wenig über die Frage, inwieweit sich im kognitiven Lernen notwendige Bedingungen für die Sprachentwicklung verbergen und ob es bestimmte Schwellenwerte der kognitiven Entwicklung gibt, die dem Kind erst den weiteren Aufbau der sprachlichen Kompetenzen ermöglichen. Zum anderen gibt es eine Vielzahl von Belegen für lokale Zusammenhänge zwischen einzelnen Fertigkeiten in der Sprache und in kognitiven Leistungen, die weiter empirisch untersucht werden müssen.
Als zweite These unterstreicht Weinert (2000, S. 351), dass auch »der Spracherwerb und die bereits erworbenen Sprachkompetenzen von großer Bedeutung für die Denkentwicklung sind«. Sprache wirkt sich danach auf die Aufmerksamkeitssteuerung des Kindes aus und liefert eine Kodierung für die Verarbeitung komplexer Informationen. Insgesamt spricht vieles dafür, dass sich die Wirkungszusammenhänge zwischen Denken und Sprache im Laufe der Entwicklung eines Kindes verändern.
Obwohl die Ausführungen sich auf sehr komplexe Entwicklungsbereiche beziehen, haben sie eine hohe Relevanz sowohl für unseren Umgang mit Entwicklungsprognosen als auch für die Erklärungen, die wir für die Wirksamkeit von verschiedenen Therapiestrategien heranziehen. So zeigt sich im Bereich der Prognose, dass oft von dem positiven Verlauf der kognitiven oder der sprachlichen Entwicklung auf eine günstige Prognose des anderen Entwicklungsbereichs geschlossen wird. Zeigt etwa eine Kind mit einer kombinierten Entwicklungsstörung einen günstigen Verlauf in der sprachlichen Entwicklung zwischen 2½ und 3½ Jahren, schließen wir daraus auch auf die Prognose der kognitiven Entwicklung. Da dieser prognostische Zusammenhang schon in der normalen Entwicklung wenig systematisch begründet werden kann, sollte im klinischen Rahmen eine solche Schlussfolgerung eher vermieden werden.
In die Therapiemodelle fließen implizite Annahmen zur Wirksamkeit von bestimmten kognitiven Übungsmethoden ein. So wird in heilpädagogischen Programmen oder in entwicklungspsychologisch ausgerichteten Übungsmethoden ein Üben von symbolischen Spielhandlungen vorgeschlagen mit dem Ziel, sprachliche Kompetenzen damit indirekt anzuregen. Prinzipiell sollten wir ineinem Therapiemodell im Detail formulieren, welche impliziten Wechselbeziehungen wir zwischen Sprache und kognitiven Leistungen annehmen.
Auffällige Sprachentwicklung und normale kognitive Entwicklung
Ein wichtiges Definitionsmerkmal bei spezifischen Sprachentwicklungsstörungen ist ein normaler Verlauf der nonverbalen Intelligenzentwicklung. Bedeutet dies aber in der Tat, dass die kognitive Entwicklung bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen in den ersten Lebensjahren stets unauffällig verläuft. Mit der Frage, wie sich die kognitive Entwicklung bei einem sprachauffälligen Kind darstellt, hat sich die entwicklungspsychologische Forschung in den 1970er und 1980er Jahren systematisch beschäftigt.
In der klinischen Beobachtung von Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen beschäftigen uns vier Entwicklungsbereiche, die parallel zum verzögerten Verlauf der sprachlichen Kompetenzen als auffällig beschrieben werden. An erster Stelle zu nennen ist hier der Bereich der motorischen Funktionen, also vor allem ein verzögerter Verlauf der grobmotorischen Entwicklung und ein verzögerter Erwerb von feinmotorischen Fertigkeiten. Bei mindestens 40% der Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen wird eine zusätzliche motorische Koordinationsstörung (developmental coordination disorder) diagnostiziert (Hill 2001, Diamond 2000, Visscher et al. 2007, Webster et al. 2006). So beobachten wir bei einem drei- bis vierjährigen Kind Schwierigkeiten in der Stifthaltung und beim Ausschneiden, oder aber auch vermeidendes Verhalten, wenn das Kind zum Basteln im Kindergarten angeregt wird.
Daneben werden auffällige Prozesse der Wahrnehmungsverarbeitung als assoziierte Entwicklungsauffälligkeiten beschrieben (Powell & Bishop 1992). Dabei befasste sich die Forschung lange Zeit mit den Prozessen der visuellen Wahrnehmung und der taktilen Verarbeitung. Erst im letzten Jahrzehnt dominieren Untersuchungen zur auditiven
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