Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
1987). So wurde in einer Vielzahl von empirischen Studien versucht zu belegen, dass der Erwerb der symbolischen Funktionen, ablesbar am Verständnis für die Objektpermanenz, also dem Verständnis, dass Gegenstände unabhängig von der beobachteten Manipulation stets weiter existieren, und im Erwerb des symbolischen Spiels, das Fundament für das Einsetzen der aktiven Sprache bildet. Erst wenn ein Kind diese kognitiven Meilensteine erworben hat, kann es sein Wissen auf die sprachliche Ebene übersetzen. Auch im weiteren Verlauf der Sprachentwicklung wird im Rahmen der Kognitionshypothese angenommen, dass erst spezifische kognitive Konzepte (z. B. Ordnen der Farben, Erfassen der Größenbeziehungen) erworben werden, ehe dieses Konzept auch in sprachliche Formen (z. B. Benennen der Farben, Beschreiben der Größenrelationen) übersetzt werden kann (Rice & Kemper 1984).
Mit der
Hypothese der lokalen Homologien
werden die Wechselwirkungen zwischen Sprache und Kognition vorsichtiger abgebildet. Die Annahme ist hier, dass sprachliche Strukturen und kognitive Fähigkeiten zu einem gewissen Entwicklungszeitpunkt parallel zueinander auftreten und sich die Kompetenzen wechselseitig beeinflussen können (Thal 1991, Paul 2007). So wurde etwa beschrieben, dass der Erwerb der Objektpermanenz und der Erwerb von sprachlichen Kompetenzen, z. B. das Verständnis des Wortes »weg« parallel zueinander auftreten. Von dem zeitgleichen Auftreten in einer Entwicklungsphase schließt man aber nicht auf einen möglichen ursächlichen Zusammenhang. Insgesamt wurde mehrfach begründet und mit einer Reihe von empirischen Studien belegt, dass es strukturelle Parallelen zwischen den sprachlichen Fähigkeiten und den Handlungsstrukturen des symbolischen Spiels gibt (McCune Nicolich 1981).
Vorsichtiger argumentiert man auch beim Formulieren von Hypothesen zu
spezifischen Voraussetzungsbeziehungen
. Dabei wird angenommen, dass spezifische kognitive Konzepte zu einem bestimmten Entwicklungszeitpunkt die Voraussetzungen, also eine notwendige Bedingung, für die jeweiligen sprachlichen Konzepte bilden. So wird die These beschrieben, dass das kognitive und konzeptuelle Wissen über nicht sichtbare Objektveränderungen beeinflusst, wie ein Kind den Erwerb von Worten des Verschwindens (»weg«, »fehlt«) meistert (Tomasello & Farrar 1984).
In der
Interaktionshypothese
wird hingegen davon ausgegangen, dass sich Sprache und kognitive Leistungen wechselseitig beeinflussen. So wirken sich das Auftreten von ersten Worten und die ersten Formen des symbolischen Spiels wechselseitig aufeinander aus. Ähnlich verknüpft ein Kind die ersten symbolischen Handlungssequenzen, reiht verschiedene Handlungen im Spiel mit seiner Puppe aneinander und parallel dazu bildet es die ersten grammatikalischen Strukturen, also die ersten Zwei- und Dreiwortverbindungen. Solche einfachen Handlungsstrukturen auf kognitiver und sprachlicher Ebene scheinen sich in enger Wechselbeziehung zu entwickeln und die weitere symbolische Entwicklung zu prägen.
Schließlich wird im Rahmen der
Modularitätshypothese
formuliert, dass die Grundlage der Sprachentwicklung der Erwerb universeller Regeln für die linguistischen Strukturen ist, die wiederum stark von genetischen Faktoren geprägt sind. Dies würde bedeuten, dass sich Denken und Sprache unabhängig voneinander differenzieren, die sprachlichen Kompetenzen sich also unabhängig von den Fortschritten in den kognitiven Fertigkeiten entwickeln. Der Erwerb grammatikalischer Regeln zur Pluralbildung oder zur Verbkonjugation etwa beim Gebrauch von Vergangenheitsformen wäre danach weitgehend unabhängig vom Verlauf der kognitiven Entwicklung.
Wie hängen Sprache und Denken zusammen? Dazu einige allgemeine Betrachtungen
Die Zusammenhänge zwischen Sprache und Denken sind vielschichtig, die globalen Annahmen über eine Priorität des Denkens (Piaget) oder der Sprache (Sapir-Whorf) werden heute selten vertreten. Weder der Erwerb der Sprache noch die Entwicklung des Denkens erweisen sich als einheitliche Entwicklungsphänomene, zwischen denen generelle Zusammenhänge erwartet werden können (Weinert 2000, S. 350). Die Sprache und das Denken werden als eigenständige »Funktionsbereiche« gesehen, die sich wiederum aus verschiedenen Teilkompetenzen zusammensetzen. Die teilweise Unabhängigkeit von sprachlichen und kognitiven Kompetenzen belegen nicht nur entwicklungspsychologische Beobachtungen, sondern auch klinische Befunde, auf die wir
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