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Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung

Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung

Titel: Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Schneeweiß , Theodor Hellbruegge
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indem Entscheidungsprozesse von Ärzten und (Sprach-)Therapeuten reflektiert und modelliert werden (Beushausen 2009). In der Kinderarztpraxis ist diese Urteilsbildung eingebettet in eine Schrittfolge n. Abb. 1 von Anfangsverdacht über die Diagnosestellung, die Ableitung der Indikation eines bestimmten Heilmittels bis hin zur Umsetzung der Therapie.
    Allerdings folgt aus einer bestimmten Diagnosestellung nicht zwangsläufig eine bestimmte Indikation. Die Heilmittelrichtlinien selbst sehen Einschränkungen vor, etwa dass die Behandlung ein kuratives Ziel haben muss oder der primären und sekundären Prävention dient. In ausdrücklichem Bezug auf die ICF der WHO (2001, auf Deutsch: DIMDI 2005) sehen die Heilmittelrichtlinien vor, dass neben der Prüfung der Einschränkungen in den körperlichen sowie geistigen Funktionen und Strukturen auch die Prüfung von Aktivitäten, also der Fähigkeitsstörung, und die Berücksichtigung individueller Kontextfaktorenbei der betroffenen Person sowie ihres Umfeldes erfolgt. Damit wird der Gesundheitszustand der Person auch im Wechselspiel von inneren und äußeren, stützenden Ressourcen oder hemmenden Einflüssen gesehen. Erst eine derartige Gesamtbetrachtung und nicht die Diagnose allein kann zur Indikationsstellung führen.
    Abbildung 1: Herkömmliche Schrittfolge im diagnostischen Prozess über die Indikation hin zur Therapie
    Im Hinblick auf diagnostische Prozesse im Bereich der Sprachentwicklungsstörungen und des Indikationskatalogs der Heilmittelrichtlinien muss festgestellt werden, dass die theoretisch als terminal gekennzeichnete Indikationsentscheidung des Arztes oft nur vorläufigen Charakter hat, da das eigentliche Ziel der Indikationsermittlung – die Zuweisung einer Person mit einer Problemlage zu einer bestimmten Form der Intervention – nur sehr grob gelöst ist. Daraus ergibt sich in der Praxis, dass die Indikation in mehreren Schritten und in einem meist interpersonal kooperativen und v. a. arbeitsteiligen Prozess festgestellt wird. Die damit verbundenen professionellen Rollen spiegeln dabei auch unterschiedliche Aufgaben und Funktionen von Diagnostik wider, wie sie in Tabelle 1 in einer Übersicht zusammengefasst sind.
    Eindeutig ärztliche Kompetenz ist es, im Rahmen von ätiologischer und klassifizierender Diagnostik diagnostische Urteile zu fällen. Die jeweils daraus abgeleiteten Konsequenzen sind dem Blockschema in Abbildung 2 (siehe unten) zu entnehmen.
    Im Ergebnis der diagnostischen Entscheidung wird vom Arzt eine Indikation für das Heilmittel Sprachtherapie oder für eine andere Interventionsform (z. B.Sprachförderung) erkannt, bzw. erscheint eine Intervention nicht angezeigt. Dabei sind in den Heilmittelrichtlinien (HeilM-RL 2011) Kriterien für eine Indikationsstellung ausgewiesen. Der Interpretationsrahmen der diagnostischen Fragestellungen und Ableitungen wird durch die ICF (DIMDI 2005) gebildet. Die internationale Klassifikation der funktionalen Gesundheit beschreibt mehrdimensional Gesundheits-, Krankheits- und Behinderungszustände und wird in der Rehabilitation verbreitet angewendet. Dass sie hier im Zusammenhang mit Ressourcenzuweisungen für kurative Zwecke gebraucht wird, erklärt,warum die Dimensionen der körperlichen/geistigen Funktionen und Strukturen ebenso wie die Dimension der Aktivitäten (Leistungsfähigkeit) und der förderlichen bzw. hemmenden Umweltfaktoren zur Grundlage der Beurteilung gemacht werden, nicht jedoch die Dimension der Teilhabe. Die Forderung der Heilmittelrichtlinien, dass die in Frage stehende Intervention der primären oder sekundären Prävention oder kurativen Zwecken dienen soll, engt den Fokus in der Behandlung ein.
    Tabelle 1: Zweckformen von Diagnostik
    Abbildung 2: Ablaufschema Diagnostik bei Sprachentwicklungsstörungen
    Sprachtherapie im Rahmen des hier diskutierten Indikationsschlüssels SP1 wird als angezeigt angesehen, wenn Produktions- oder Rezeptionsstörungen auf den sprachlichen Strukturebenen (Wortschatz, Grammatik, Phonetik und Phonologie) sowie der sensorischen und motorischen Basisfunktionen für Sprechen und Sprache festzustellen sind. Zu ergänzen wären emotionale und interaktionsbezogene Funktionen. Dahingehend hat die klassifizierende Diagnostik lediglich die Aufgabe festzustellen, ob eine Störung in den genannten Bereichen vorliegt oder nicht. Das impliziert die Anwendung bestimmter Verfahren, die für diese Unterscheidung geeignet erscheinen (Beobachtung,

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