Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
der
Ebene A
erfolgt eine quantitative Einschätzung des Wortschatzumfanges sowie die Erfassung von Symptomen semantisch-lexikalischer Störungen und die anamnestische Erfassung der Sprachlernbiographie. Letzteres ist bspw. im Hinblick auf Kinder mit mehrsprachigem Spracherwerb wichtig, um den erhobenen Wortschatzumfang in den individuellen Entwicklungsumständen einschätzen zu können. Auf der
Ebene B
erfolgt eine Interpretation der Symptomatik und weiterer qualitativer Befunde hinsichtlich des zugrunde liegenden Bedingungsgefüges der Störung. Und auf der
Ebene C
werden sozioemotionale und kognitive Basisfunktionen untersucht.
Ärztliche Klassifikationsdiagnostik
Die Ergebnisse der Diagnostik auf der Ebene A reichen im Sinne einer klassifizierenden Diagnostik für die Beurteilung des Vorliegens einer Störung in der Regel aus. Die hier anzuwendenden diagnostischen Verfahren (Anamnese, Beobachtung und quantitative Wortschatzdiagnostik in den Aufgabentypen Bildbenennungund Bildauswahl) können meist in der ärztlichen Praxis vom Arzt selbst oder von medizinischen Assistenten durchgeführt und ausgewertet werden. Beispielsweise werden in vielen Kinderarztpraxen Fragebögen zur Wortschatzentwicklung bei zwei- bis dreijährigen Kindern eingesetzt (vgl. Sachse & von Suchodoletz 2009). Aber auch direkte Überprüfungen im Rahmen von Bildbeschreibungen und Benennungen werden praktiziert. Hier wird meist bei Testverfahren eine quantitative Schätzung des Wortschatzumfanges vorgenommen (u. a. AWST-R: Kiese-Himmel 2005; WWT 6 – 10: Glück 2011). In der Orientierung an der Altersnorm lassen sich Abweichungen für monolinguale Kinder relativ leicht feststellen. Für mehrsprachig aufwachsende Kinder ist unter Einbezug der Sprachlernbiographie der Wortschatzumfang orientierend an der Altersnorm des Kontaktalters zu erheben.
Abbildung 3: Diagnostikmodell
Sprachtherapeutische status- und therapiebegleitende Diagnostik
Aus der Indikation zur Sprachtherapie allein sind weder das individuelle funktionelle Bedingungsgefüge noch entsprechende Therapieschwerpunkte und -ziele ableitbar. Hierzu bedarf es einer Feindiagnostik, die meist vom Sprachtherapeuten vorgenommen wird (Ebene B und C im diagnostischen Modell). Im Sinne einer therapieleitenden, deskriptiven Statusdiagnostik geht es um die mehrdimensionale Beschreibung des Bedingungsgefüges und die Interpretation dieses Bedingungsgefüges auf der Basis grundlegender theoretischer Modellvorstellungen von Prozessen und Strukturen im mentalen Lexikon des Kindes. Die Auswahl der diagnostischen Zielbereiche und Verfahren orientiert sich an den Ursachenhypothesen semantisch-lexikalischer Störungen. Entsprechend der Abbildung 4 wird modellhaft eine Unterteilung in vier verschiedene Störungsbereiche vorgenommen (Glück & Elsing, im Druck): 1. Erwerbsstörung; 2. Speicherstörung; 3. Abrufstörung; 4. Ungünstiger Erwerbskontext. Informationen zu dieser Differenzierung werden u. a. in der qualitativen Interpretation der Wortschatzüberprüfung und der Symptomatik sowie aus weiteren Überprüfungen gewonnen. Dabei ist weiterhin zu unterscheiden, ob Speicher- und Abrufstörung auf Beschränkungen der semantisch-konzeptuellen Ebene (Lemma-Ebene) oder/und der Ebene der phonologischen Wortformen beruhen.
Das hierfür benötigte linguistische, kognitionspsychologische und psycholinguistische Know-how gehört zur professionellen Kompetenz von Sprachtherapeutenund Sprachheilpädagogen. Daher werden vorwiegend diese die Bearbeitung der Aspekte von Ebene B und C aus dem diagnostischen Modell leisten. Im Einzelfall kann auf Ebene C auch psychologische Diagnostik hinzugezogen werden, bspw. zur Abklärung dysfunktionaler Familiendynamiken oder bei der Abklärung intelligenzbezogener und anderer kognitiver Fähigkeiten.
Für die Ableitung differenzierter Therapieziele und die Frage nach der Indikation bestimmter Therapieformen ist diese Status-Feindiagnostik unerlässlich.
Abbildung 4: Ursachenhypothesenmodell semantisch-lexikalischer Störungen
Evaluative Diagnostik und diagnostische Verfahren
Während auf Ebene A in der Klassifikationsdiagnostik quantifizierende Verfahren der Fähigkeitsmessung aus Gründen der Orientierung an der sozialen Vergleichsnorm unverzichtbar sind, stehen in der differenzierten Statusdiagnostik auf Ebene B wie erwähnt qualitative Betrachtungen im Vordergrund. Verschiedene Verfahren ermöglichen sowohl eine quantitative als auch eine qualitative Auswertung (AWST-R:
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