Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
Sprachentwicklungstests).
Darüber hinaus wird bei vorliegender Indikation für Sprachtherapie ein weiterer, diagnostischer Schritt notwendig. Mit einer detaillierten Beschreibung der sprachlichen Fähigkeiten
werden die Ergebnisse der Klassifikationsdiagnostik bestätigt oder modifiziert,
wird eine Datenbaseline zur Beurteilung von Veränderungen gewonnen,
werden therapeutische Feinziele abgeleitet und
die Verfahren für die spätere evaluative Diagnostik festgelegt.
Für diese eher deskriptive Statusdiagnostik werden linguistisch, kognitionspsychologisch und psycholinguistisch fundierte Verfahren der Analyse von spontansprachlichen und elizitierten Sprachproben benötigt. Die Kenntnis und Anwendung dieser Methoden sind zum Teil an die professionelle Expertise von Sprachtherapeuten und Logopäden (im Folgenden zusammenfassend: Sprachtherapeuten) gebunden. Daher wird dieser zweite diagnostische Schritt auf dem Weg zur Indikation von bestimmten Therapiezielen und zur Auswahl bestimmter Therapiemethoden kooperativ anzulegen sein. Die in der Leitlinie zurDiagnostik von Sprachentwicklungsstörungen (de Langen-Müller et al., im Druck) geforderte Vier-Augen-Diagnostik entspricht diesem auf professionelle Kooperation hin gerichteten Ansatz, wenngleich hier leicht abweichend vorgeschlagen wird, dass die Frage der Klassifikation, also der Indikation für Sprachtherapie, in ärztlicher Entscheidung verbleibt.
Aufgabe der Sprachtherapeuten ist es, im weiteren Verlauf die statusdiagnostisch gewonnenen Informationen therapiebegleitend zu ergänzen, um
Ziele und Methoden im therapeutischen Prozess auf die sich verschiebenden Lernvoraussetzungen hinsichtlich sprachlicher, sprachbasaler, motivationaler Entwicklung etc. anzupassen;
in mehrfachen Statuserhebungen die Entwicklungsfortschritte zu erfassen und daraus Anhaltspunkte für die Beurteilung der Angemessenheit von Zielen und Methoden abzuleiten.
Die evaluative Diagnostik wird zum Ende eines therapeutischen Prozesses als erneute Statusdiagnostik angelegt und damit kooperativ von Ärzten und Sprachtherapeuten durchgeführt.
Der diagnostische Prozess bei semantisch-lexikalischen Störungen
Kinder mit semantisch-lexikalischen Störungen bilden eine Teilgruppe der Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen, denen es in der Sprachproduktion häufig und anhaltend nicht altersentsprechend gelingt, eine sprachliche Form zu bilden, die entsprechend der Äußerungsintention lexikalisch besetzt ist, oder denen es in der Sprachrezeption häufig nicht oder nicht ausreichend gelingt, in die Interpretation von Äußerungen in altersentsprechender Weise lexikalisches Wissen einzubeziehen. Diese Störung äußert sich symptomatisch als geringer produktiver und rezeptiver Wortschatz und in Form von Wortfindungsstörungen. Sie tritt auf v. a. bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen auf, aber auch bei Kindern mit Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten, allgemeinen Lernschwierigkeiten, neurologischen Erkrankungen und tiefgreifenden Entwicklungsstörungen (Sinzig 2011, Rupp 2006). Unter den Kindern mit einer Spezifischen Sprachentwicklungsstörung ist bei ⅔ mit einer semantisch-lexikalischenTeilsymptomatik zu rechnen (van Weerdenburg, Verhoeven & van Balkom 2006).
Auch die Heilmittelrichtlinien sehen einen »eingeschränkten aktiven oder passiven Wortschatz und/oder Wortfindungsstörungen« als Symptomatik für eine Therapieindikation nach Indikationsschlüssel SP1 an (GBA 2011, Indikationskatalog). Dahingehend kommt der klassifizierenden Diagnostik im Sinne der Feststellung einer Störung, aber auch der deskriptiven Statusdiagnostik in diesem Bereich eine besondere Bedeutung zu. Jedoch ist die Diagnostik semantisch-lexikalischer Fähigkeiten keineswegs trivial (vgl. Glück 2002) – unter anderem wegen der hohen Anzahl der potenziell zu prüfenden Einheiten und der damit verbundenen Frage der Repräsentativität einer Auswahl sowie der mit dem Alter zunehmenden individuellen Differenzierung des Wortschatzes.
Für die Diagnostik semantisch-lexikalischer Störungen ist ein sprachheilpädagogisches Strukturmodell entwickelt worden (vgl. Abb. 3, modifiziert n. Glück 2002), das hier im Hinblick auf die professionelle Rollenverteilung im diagnostischen Prozess analysiert werden soll. Das Diagnostik-Modell sieht diagnostisches Handeln auf drei Ebenen vor, die sich den unterschiedlichen Zielsetzungen von Diagnostik und damit auch den unterschiedlichen Handlungsträgern zuordnen lassen.
Auf
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