Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
Gesprächspartner zur Benennung von Gegenständen oder Ereignissen der Umgebung benutzt, erkennen kann.
Dementsprechend ist der Sprachbeginn bei Kindern mit WBS verzögert. In einer longitudinal angelegten Studie, in der die frühe Sprachentwicklung von 13 Kindern mit WBS mit dem Elternfragebogen »MacArthur Communicative Development Inventory« (CDI) dokumentiert wurde, lag der Wortschatzumfang bei fast allen Kindern unter der 5. Perzentile im Vergleich zur Altersnorm (Mervis et al. 2003). Im weiteren Verlauf der Sprachentwicklung bilden die meisten Kinder mit WBS dann aber flüssige und gut verständliche Äußerungen. Ihre expressiven Sprachfähigkeiten sind in Untersuchungen im Schul- und Erwachsenenalter (Mervis et al. 2000, Devenny et al. 2004) wesentlich weiter entwickelt als rezeptiv-sprachliche und feinmotorische Fähigkeiten.
In der Fachliteratur werden verschiedene Hypothesen diskutiert, die dieses Entwicklungsprofil erklären könnten. Ein rascher Wortschatzaufbau nach verzögertem Beginn könnte darauf zurückzuführen sein, dass Kinder mit Williams-Beuren-Syndrom über gute phonologische Speicherfähigkeiten verfügen und sie auf diesem Weg ihr Lexikon rascher erweitern können als andere Kinder mit kognitiven Beeinträchtigungen. Eine zweite Möglichkeit bestünde darin, dass sie ihr Lexikon auf atypische Weise organisieren. Eine dritte Hypothese geht davon aus, dass sich die sprachlichen Besonderheiten von Kindern mit WBS auf non-linguistische syndromspezifische Merkmale zurückführen lassen, nämlich eine besonders ausgeprägte Motivation zur sozialen Kontaktaufnahme einerseits und eine beeinträchtigte visuell-räumliche Perzeption andererseits.
Eine besondere Rolle für den Spracherwerb von Kindern mit WBS spielt offenbar eine weitgehend unbeeinträchtigte
phonologische Speicher- und verbale Merkfähigkeit
. In Testverfahren, die eine Profildifferenzierung erlauben, zeigen sie z. B. bei Aufgaben zur Reproduktion von Zahlenreihen relative Stärken, jedoch ausgeprägte Schwächen bei allen Aufgaben, die visuell-räumliche Wahrnehmungsfähigkeiten prüfen. Während viele Kinder mit WBS im ersten Bereich im Durchschnitt der Altersgruppe oder nur leicht darunter liegen, weichen die Leistungen bei mehr als 80% in den visuell-perzeptiven Fähigkeiten um mehr als drei Standardabweichungen von der Altersnorm ab (Mervis et al. 2000). Im Schulalter sind sie ebenso gut in der Lage, einzelne Begriffe abzurufen, die zu einem Oberbegriff gehören, wie Kinder gleichen mentalen Entwicklungsalters (Mervis et al. 1999). Einige Beobachtungen sprechen dafür, dass ihr Lexikon mehr selten gebräuchliche Begriffe (z. B. Tiernamen) enthält als bei Kindern gleicher Sprachstufe. Zudem sind die Korrelationen zwischen den Leistungen in Gedächtnistests und den Ergebnissen in Aufgaben, mit denen das Satzverständnis geprüft wird, höher als bei nicht behinderten Kindern (Robinson et al. 2003). In Lernexperimenten, bei denen Wortlisten gespeichert und reproduziert werden sollen, unterlaufen ihnen z. B. weniger Fehler bei der Reproduktion von Kunstwörtern. Es findet sich auch kein Unterschied bei der Speicherung von häufiger vs. seltener gebräuchlichen Worten, wie das bei nicht behinderten Kindern üblicherweise zu beobachten ist. Das spricht dafür, dass sie ihr lexikalisches Wissen nicht für den Speicherprozess nutzen, sondern allein eine phonologische Speicherung vornehmen (Vicari et al. 1996, Karmiloff-Smith et al. 1997).
Auf einer
komplexeren Sprachentwicklungsstufe
zeigt sich dann jedoch, dass – trotz umfangreichem Wortschatz und einer regen Beteiligung an Dialogen im Alltag – die Sprachverarbeitungsfähigkeiten sehr wohl beeinträchtigt sind. Das Verständnis komplexer Sätze, wie es z. B. mit den schwierigsten Aufgaben im TROG gemessen wird, überfordert die meisten Kinder mit Williams-Beuren-Syndrom (Karmiloff-Smith et al. 1997). Das gilt auch für die Satzproduktion. Wenn Schulkinder mit WBS gebeten werden, Bilder zu beschreiben, bildet nur ein kleiner Teil von ihnen komplexe Sätze (Stojanovik et al. 2006). Eine weitere Beobachtung ist, dass Kinder mit Williams-Beuren-Syndrom zumindest in Sprachen, bei denen morphologische Regeln eine größere Rolle spielen als im Englischen, mehr untypische Flexionsfehler machen als jüngere Kinder gleichenmentalen Entwicklungsniveaus (Volterra et al. 1996). Vergleichsuntersuchungen mit der »Children’s Communicative Competence« (CCC), die mit nicht behinderten
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