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Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung

Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung

Titel: Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Schneeweiß , Theodor Hellbruegge
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erschweren. Je häufiger die Kinder Blickrichtung und Vokalisationen zur Mitteilung von Wünschen einsetzten, desto größer waren die Fortschritte im Sprachverständnis ein Jahr später. Während die rezeptive Sprachentwicklung dem jeweils erreichtenkognitiven Niveau entsprach und sich etwa halb so schnell vollzog wie die Entwicklung unbeeinträchtigter Kinder, verlief die expressive Sprachentwicklung individuell sehr unterschiedlich. Einige Kinder machten gleichmäßige Fortschritte, andere – vor allem die Kinder mit autistischen Verhaltensmerkmalen – veränderten sich in ihren sprachlichen Ausdrucksfähigkeiten kaum, so dass sich für die Gesamtgruppe eine stärkere Retardierung (im Verhältnis 1:3 zur Normalentwicklung) ergab (Roberts et al. 2001).
    Neben dem Vorliegen einer autistischen Symptomatik scheint die
Responsivität der Mütter in der Interaktion
mit ihren Kindern ein bedeutsamer Einflussfaktor für die Sprachentwicklung von Jungen mit Fragilem-X-Syndrom zu sein. Warren et al. (2010) beobachteten das Interaktionsverhalten der Mütter in Spielsituationen, beim gemeinsamen Betrachten eines Bilderbuchs und bei der Vorbereitung von Mahlzeiten mit Jungen im Alter von eineinhalb bis drei Jahren. Die mütterliche Responsivität erwies sich als signifikanter Prädiktor der Ergebnisse von rezeptiven und expressiven Sprachtests, des Wortschatzumfangs und der Kommunikationsrate im Alter von drei Jahren. Dieser Einfluss war unabhängig vom Vorliegen einer autistischen Symptomatik, d. h. je besser es den Müttern – auch bei Kindern mit dieser Problematik – gelang, sich auf die kommunikativen Besonderheiten ihrer Kinder einzustellen, umso günstiger verlief die Sprachentwicklung.
    Im weiteren Verlauf entsprechen der Wortschatzumfang und die syntaktischen Kompetenzen im Schul- und Jugendalter in der Regel dem Niveau der nonverbalen mentalen Fähigkeiten der Jungen (Sudhalter et al. 1992). Die Beachtung von Regeln der Formen- und Satzbildung scheint somit – anders als bei Kindern mit Down-Syndrom – kein Bereich zu sein, in dem die Jungen mit Fragilem-X-Syndrom syndromspezifische Schwächen aufweisen. Allerdings finden sich signifikante Differenzen zwischen der Komplexität sprachlicher Äußerungen in Abhängigkeit von Situationsmerkmalen. Wenn Sprachleistungen in einer strukturierten Testsituation oder im Rahmen des Erzählens eigener Erlebnisse geprüft werden, bilden die Jungen wesentlich umfangreichere und differenziertere Äußerungen als in Gesprächssituationen, in denen sie sich flexibel auf die Äußerungen des Gegenübers einstellen müssen (Roberts et al. 2007, Price et al. 2008).
    In diesen Schwierigkeiten der
Abstimmung der eigenen Äußerungen auf den Kontext
spiegeln sich Schwächen in exekutiven Funktionen wider. Soziale Situationen,die für das Kind fremd sind und flexible Anpassungen erfordern, scheinen die Selbstregulation von affektiven Reaktionen und die Handlungsplanung bei Jungen mit Fragilem-X-Syndrom zu überfordern. Dafür spricht auch das situationsabhängige Auftreten von pragmatischen Auffälligkeiten. Wiederholungen von Wörtern, Phrasen, Festhalten an bestimmten Themen (Perseverationen) sowie tangentielle, schlecht auf das Gesprächsthema abgestimmte Äußerungen sind bei Jungen mit Fragilem-X-Syndrom häufiger zu beobachten als bei Kindern gleichen Sprachentwicklungsstandes, bei Kindern mit geistiger Behinderung anderer Ursache oder bei Kindern mit einer autistischen Störung (Sudhalter et al. 1991, Belser & Sudhalter 2001, Levy et al. 2006). Sie treten vor allem in Situationen auf, in denen das Gesprächsthema für das Kind fremd ist und eine soziale Reaktion erwartet wird (Cornish et al. 2004). Die gleichen Situationen gehen mit erhöhter physiologischer Erregung und impulsiven sowie selbstverletzenden Verhaltensweisen (Beißen in die eigene Hand) einher (Belser & Sudhalter 1995, Hall et al. 2006).
Cornelia-de-Lange-Syndrom
    Beim Cornelia-de-Lange-Syndrom (CdLS) handelt es sich um eine seltene genetisch bedingte Entwicklungsstörung; der körperliche Phänotyp ist durch ein verlangsamtes Wachstum, charakteristische Gesichtszüge und in vielen Fällen Fehlbildungen der oberen Gliedmaßen sowie Seh- und Hörbehinderungen und Ernährungsstörungen (gastro-ösophagealer Reflux) gekennzeichnet. Bei einem Teil der Kinder lässt sich eine Veränderung auf den Chromosomen 5 oder 10 nachweisen. Viele Kinder mit CdLS weisen eine schwere oder schwerste geistige Behinderung auf, bei

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