Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
Kindern, Kindern mit spezifischen Sprachentwicklungsstörungen und Kindern mit Down-Syndrom vorgenommen wurden, zeigen schließlich eine mangelnde Kohärenz von Äußerungen, stereotype Formen der Konversation und unangemessene Einleitungen von Gesprächen als Auffälligkeiten im Sprachgebrauch (Laws & Bishop 2004). Kinder und Jugendliche mit WBS haben auch – z. B. im Vergleich zu Kindern mit spezifischen Sprachentwicklungsstörungen auf gleichem Sprachniveau – mehr Schwierigkeiten, die relevanten Informationen einer (Bilder-)Geschichte wiederzugeben (Stojanovik et al. 2004). Offenbar fällt es ihnen schwer, sich die Informationsbedürfnisse eines Gesprächspartners bewusst zu machen, der einen Sachverhalt nicht kennt.
Der Eindruck einer besonderen Sprachbegabung wird mitgeprägt durch die
Verwendung von prosodischen Merkmalen
im Gespräch. Kinder mit WBS setzen offenbar mehr als andere Kinder bei Erzählungen spezifische sprachliche Mittel (Ausrufe u. ä.) ein, um sie für den Zuhörer interessant zu machen und das Interesse des Gesprächspartners zu fesseln (Reilly et al. 2004, Losh et al. 2000). Diese Beobachtung korrespondiert mit anderen non-linguistischen Merkmalen des Verhaltensphänotyps. Kinder mit WBS zeigen eine ausgeprägte Motivation zur sozialen Kontaktaufnahme, die sich auch in ungehemmtem, distanzlosem Verhalten äußert.
Fragiles-X-Syndrom
Beim Fragilen-X-Syndrom handelt es sich um Entwicklungsstörung, die durch Inaktivierung des FMR-1-Gens auf dem X-Chromosom bedingt ist. Kinder mit Fragilem-X-Syndrom haben wenige körperliche Auffälligkeiten, jedoch einen charakteristischen Verhaltensphänotyp. Untersuchungen zum neuropsychologischen Profil von Jungen mit Fragilem-X-Syndrom zeigen charakteristische Schwächen in exekutiven Funktionen, z. B. bei der Aufrechterhaltung und flexiblen Ausrichtung der Aufmerksamkeit, bei der Kontrolle über impulsive Reaktionen und bei der Verarbeitung von sequentiell dargebotenen Informationen. Relative Stärken liegen dagegen in der Verarbeitung von simultan gebotenen Informationen und beim Abruf von Informationen aus dem Langzeitgedächtnis.Dieses Profil unterscheidet sich vom Profil, das bei Kindern mit geistiger Behinderung anderer Ursache zu finden ist (Cornish et al. 2004). Darüber hinaus finden sich Defizite gegenüber Kindern mit gleichem nonverbalen Entwicklungsstand bei Aufgaben, die verschiedene Gedächtnisfunktionen prüfen (akustisches Arbeitsgedächtnis, Reproduktion von Wortreihen, Wiedererkennen von Bildern und räumliches Gedächtnis; Ornstein et al. 2008). Besondere Schwierigkeiten bereiten ihnen – ähnlich wie Kindern mit Down-Syndrom – offenbar Aufgaben, die das phonologische Gedächtnis betreffen (Baker et al. 2011).
Zu den charakteristischen non-linguistischen Merkmalen des Verhaltensphänotyps gehört ferner eine besondere Irritabilität (Empfindlichkeit für Reize) sowie eine Neigung zu impulsivem und hyperaktivem Verhalten, stereotypen und selbstverletzenden Verhaltensweisen und sozialer Ängstlichkeit (Sarimski 2003). Diese Verhaltensmerkmale erschweren das Gelingen sozialer Interaktion und stellen daher einen potentiell hemmenden Faktor für die Sprachentwicklung dar. Bei 25 – 30% der Jungen mit Fragilem-X-Syndrom sind diese Auffälligkeiten so ausgeprägt, dass die Kriterien einer Autismus-Spektrum-Störung erfüllt sind (u. a. Rogers et al. 2001).
Auch zum Fragilen-X-Syndrom sind in den letzten Jahren zahlreiche Studien durchgeführt worden, die den Verlauf der Sprachentwicklung und spezifische Auffälligkeiten im kommunikativen Verhalten von Jungen mit dieser Entwicklungsstörung analysieren. Die meisten Untersuchungsgruppen haben sich bisher auf Jungen konzentriert; Studien zum Sprachentwicklungsverlauf von Mädchen fehlen bislang noch. Aus einer umfangreichen Studie zum Entwicklungsverlauf beim Fragilen-X-Syndrom (»Carolina Fragile X Study«) liegen Daten zur frühen Sprachentwicklung vor, die mit verschiedenen entwicklungsdiagnostischen Verfahren erhoben wurden. Bei früh diagnostizierten Kindern war eine allgemeine Verzögerung der Entwicklung mit Schwerpunkt im Bereich der expressiven Sprache bereits im Alter von neun Monaten zu beobachten. Im Profil der vorsprachlichen Fähigkeiten zeigten sich relative Schwächen beim Gebrauch von hinweisenden Gesten, der Beteiligung an reziproken Dialogen und der Reaktion auf sprachliche Aufforderungen, die die Etablierung von gemeinsamer Aufmerksamkeit mit einem Dialogpartner
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