Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
einer Teilgruppe liegt dagegen eine mildere Form vor.
Zur sprachlichen Entwicklung beim CdLS liegen nur wenige empirische Daten vor. Goodban (1993) berichtete aus einer Elternbefragung, dass ein Drittel der über 4-jährigen Kinder, deren Eltern an dieser Untersuchung teilnahmen, nicht über lautsprachliche Ausdrucksmöglichkeiten verfügten. Auch eine neuere Studie, bei der die Sprachentwicklung von 54 Kindern mit CdLS (durchschnittliches Alter 13;8 Jahre) mittels der »Vineland Adaptive Behavior Scales« (VABS-II) beurteilt wurde, zeigte eine Diskrepanz zwischen der Sprachproduktion und dem Sprachverständnis und dokumentierte die Schwere der Spracherwerbsstörung. Das durchschnittliche Entwicklungsalter im Sprachverständnislag bei 30 Monaten, das expressive Sprachalter bei 22 Monaten (Oliver et al. 2008).
Für den Verhaltensphänotyp ist eine
Kombination von sozialer Zurückgezogenheit, kommunikativen Auffälligkeiten und zwanghaften Verhaltensweisen
charakteristisch (Basile et al. 2007). Vorläufer dieser sozialen Auffälligkeiten sind bei einigen Kindern an einer sehr geringen Häufigkeit von Blickkontakt mit dem Erwachsenen im Säuglingsalter und an einer geringen sozialen Initiative im Spielverhalten zu beobachten (Sarimski 2002). Oliver et al. (2006) analysierten die sozialen Verhaltensweisen von Kindern mit CdLS in Abhängigkeit von unterschiedlichen sozialen Bedingungen und stellten fest, dass es sich dabei nicht um ein generelles Vermeidungsverhalten handelt. Ein Teil der Kinder suchten aktiv den Kontakt, wenn der Erwachsene dem Kind für eine gewisse Zeit keine Aufmerksamkeit schenkte, hatten also offenbar durchaus den Wunsch nach Kontakt. In solchen Situationen wirkten sie jedoch sehr ängstlich, was sich z. B. auch in stereotypen Handbewegungen zeigte. Offenbar fällt es ihnen schwer, ihre Affekte in sozialen Situationen zu regulieren, so dass sie dazu neigen, soziale Kontakte eher zu vermeiden (Richards et al. 2009).
Angelman-Syndrom
Auch beim Angelman-Syndrom handelt es sich um eine Entwicklungsstörung mit einem charakteristischen Entwicklungsprofil. Ursächlich ist eine Veränderung am Chromosom 15q11-13, die in etwa 75% der Fälle auf eine maternale Deletion und in jeweils bis zu 5% der Fälle auf eine paternale uniparentale Disomie, eine Imprinting-Mutation oder eine Mutation in der UBE3A-Region des entsprechenden Chromosoms zurückgeht. Das Angelman-Syndrom ist charakterisiert durch neurologische Auffälligkeiten (v. a. ataktisches Gangbild und Epilepsie), typische Gesichtszüge und einen Verhaltensphänotyp, zu dem Hyperaktivität, Stereotypien, Ess- und Schlafstörungen, eine ausgeprägte freundliche und offene Grundstimmung gehören.
Bei Kindern mit Angelman-Syndrom bestehen nur geringe Chancen für den Lautspracherwerb. Offenbar sind bei ihnen
spracherwerbsrelevante zentrale Verarbeitungsstrukturen durch die spezifische genetische Mutation inaktiviert
. So berichteten Clayton-Smith (1993) und Penner et al. (1993) in den ersten Studien über Kinder mit diesem Syndrom bereits, dass die meisten Kinder keinerleiLautsprache zur Verfügung hatten und nur sehr wenige Kinder einzelne Worte lernten. Die Variation in der Fähigkeit zur Wortbildung hängt aber offenbar mit dem genetischen Subtyp zusammen. Kinder, bei denen eine maternale Deletion vorliegt, kommen wesentlich seltener zur Wortbildung als Kinder der anderen Subgruppen (Lossie et al. 2001). Im Vergleich zu der weitgehend ausbleibenden expressiven (Laut-)Sprachentwicklung sind die rezeptiv-sprachlichen und nonverbalen Kommunikationsfähigkeiten deutlich weiter entwickelt. Didden et al. (2009) befragten die Eltern von 79 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Angelman-Syndrom (mittleres Alter 19;6 Jahre) nach den kommunikativen Fähigkeiten ihrer Kinder. Nach ihren Angaben können z. B. 80% auf sich aufmerksam machen, indem sie den Erwachsenen berühren, 70% einen Wunsch ausdrücken, indem sie ein Objekt berühren, 51%, indem sie darauf zeigen, 40% den Wunsch nach einer Handlung ausdrücken, indem sie vokalisieren,
22%, indem sie ein entsprechendes Handzeichen einsetzen. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass bei Kindern mit Angelman-Syndrom ein beträchtliches Potential zur kommunikativen Förderung besteht und deshalb eine frühe
Förderung von alternativen Verständigungsmöglichkeiten
indiziert ist mit dem Ziel, ein breites Spektrum kommunikativer Funktionen einzubeziehen. In einer Untersuchung von Alvares & Downing (1998)
Weitere Kostenlose Bücher