Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
Kurzzeitgedächtnis und der Organisation von lexikalischen Einheiten im semantischen Gedächtnis ab. Diese Fähigkeiten erlauben es dem Kind, die Strategie des »Fast Mapping« zu nutzen, bei der es zunächst nur eine ungefähre Bedeutung eines Wortes speichert, wie sie sich aus dem aktuellen Kontext ergibt, und zu weite oder enge Bedeutungen, Abgrenzungsfehler u. ä. in Kauf nimmt und sie erst im weiteren Gebrauch präzisiert. Sie erleichtert den raschen Erwerb von Bedeutungen von Nomen und Verben und führt zu einem »Wortschatzspurt«. Bei Kindern mit Down-Syndrom ist diese Strategie – zumindest unter wenig strukturierten Bedingungen des Alltags – nicht zu beobachten (Chapman et al. 2006). In Untersuchungen mit standardisierten Tests, aber auch bei der Analyse von freien Erzählungen und Gesprächssituationen wächst ihr Wortschatz nur langsam und bleibt geringer ist als bei Kindern gleichen mentalen Alters (Roberts et al. 2007, Caselli et al. 2008).
Schwächen im verbalen Kurzzeitgedächtnis und im phonologischen Speicher
im Gegensatz zu relativen Stärken bei visuellen Gedächtnisleistungen sind charakteristisch für Kinder mit Down-Syndrom (Jarrold et al. 1999). Das erklärt auch, dass Kinder mit Down-Syndrom in der frühen Sprachentwicklung häufig aufGesten, die sie sich über Beobachtung und Nachahmung aneignen können, zur Verständigung zurückgreifen und mindestens mit gleicher Häufigkeit einsetzen wie Kinder gleichen Alters (Singer-Harris et al. 1997, Iverson et al. 2003), während es ihnen sehr viel mehr Schwierigkeiten bereitet, gehörte Worte nachzusprechen und zu speichern. Ein limitierter Arbeitsspeicher für sprachgebundene Informationen, wie er für die Anwendung von Regelwissen bei der Satzbildung erforderlich ist, erklärt auch den verlangsamten Erwerb grammatikalischer Fähigkeiten als spezifisches Merkmal des Sprachprofils von Kindern mit Down-Syndrom. Sie beginnen meist erst mit 3 – 4 Jahren erste Wortkombinationen zu bilden, schneiden in Untersuchungen des Satzverstehens, bei denen morphologische und syntaktische Regeln beachtet werden müssen, schlechter ab, bilden kürzere Sätze und haben mehr Schwierigkeiten mit dem korrekten Gebrauch von Präpositionen, Modalverben und unterschiedlichen Zeitformen, als auf der Basis ihres allgemeinen kognitiven Entwicklungsalters zu erwarten wäre (Eadie et al. 2002, Price et al. 2008).
Williams-Beuren-Syndrom
Beim Williams-Beuren-Syndrom (WBS) handelt es sich um eine Entwicklungsstörung, die auf eine Mikrodeletion am Chromosom 7 zurückzuführen ist. Der körperliche Phänotyp ist durch charakteristische Gesichtszüge und ein verlangsamtes Wachstum gekennzeichnet; in vielen Fällen liegt auch ein Herzfehler vor. Kinder mit Williams-Beuren-Syndrom stellen für Sprachentwicklungsforscher eine besondere Herausforderung dar, da sich bei ihnen eine relative Sprachbegabung im Vergleich zu deutlich beeinträchtigten kognitiven und perzeptiven Fähigkeiten zeigt. Der Eindruck einer solchen besonderen sprachlichen Begabung von Kindern mit WBS relativiert sich allerdings, wenn man bedenkt, dass viele der (frühen) Forschungsarbeiten einen Vergleich mit Kindern mit Down-Syndrom vorgenommen haben – einen Vergleich also mit einer Gruppe, bei denen die expressive Sprachentwicklung eine relative Schwäche in ihrem Entwicklungsprofil darstellt.
Kleine Kinder mit Williams-Beuren-Syndrom haben mehr Schwierigkeiten, Wörter im sprachlichen Input zu segmentieren (Nazzi et al. 2003), und zeigen – wie Kinder mit Down-Syndrom – Auffälligkeiten im Gebrauch von vorsprachlichen kommunikativen Fähigkeiten. Sie setzen bei der Untersuchung mit den»Early Social Communication Scales« (ESCS) sehr viel seltener Blickkontakt, Gesten und Vokalisationen ein, um die Aufmerksamkeit des Gegenübers zu lenken, triadischen Blickkontakt herzustellen oder einen Wunsch mitzuteilen, als Kinder des gleichen Sprachentwicklungsstandes (Laing et al. 2002). Auffallend ist auch, dass sie schon erste Worte benutzen, bevor sie das Hinzeigen auf Objekte als Mittel zur Verständigung entdecken und einer Zeigegeste eines Gesprächspartners zu folgen vermögen. Bei neun von zehn untersuchten Kindern war dieser atypische Verlauf mit einer Diskrepanz von mehreren Monaten zwischen beiden Entwicklungsschritten zu beobachten (Mervis & Bertrand 1997). Das bedeutet, dass im Alltag weniger Episoden gemeinsamer Aufmerksamkeit entstehen, aus denen das Kind die Bedeutung von Worten, die der
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