Sprechen wir über Musik: Eine kleine Klassik-Kunde (German Edition)
Streichquartette. Er widmete die sechs so genannten Haydn-Quartette allesamt dem verehrten Komponistenkollegen. Durch Haydn und Mozart war ein Niveau des Streichquartetts festgelegt, das den jungen Beethoven ein bisschen einschüchterte. Sein erstes Werk, opus 1, sind Klaviertrios, gefolgt von Klaviersonaten und Streichtrios. Erst viel später, als opus 18, komponierte er sechs Streichquartette. Die wiederum wurden so fabelhaft, dass ein
berühmter italienischer Komponist, kaum hatte er sie gehört, zu seufzen begann: »Ich komponiere nie wieder in meinem Leben Streichquartette, das können die Deutschen, das kann der Beethoven besser.« Schubert wiederum, von Beethoven beeindruckt, schuf das wunderschöne Streichquartett Der Tod und das Mädchen und das G-Dur-Quartett, opus 161, das schon viel Bruckner vorwegnimmt.
Mehr und mehr avancierte im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert das Streichquartett zur Königsdisziplin. Der junge Brahms hat sehr wahrscheinlich einige seiner frühen Streichquartette vernichtet und traute sich erst mit opus 51 wieder an Kammermusik heran. Von Ravel und Debussy existiert jeweils nur ein Streichquartett, aber beide sind meisterhaft gelungen. Und sowohl Bela Bartök mit seinen sechs Quartetten als auch Paul Hindemith, Alban Berg und Arnold Schönberg offenbaren eine musikalische Reinheit in ihren Streichquartetten.
Gemeinhin gelten Streichquartette als sehr schwierig. Und es stimmt: Steht man dieser Musik, die ein Spiegel der Seele ist, allein gegenüber, findet man nicht leicht hinein in die Welt der reinen Töne. Ich möchte deshalb auf ein Werk hinweisen, das sich besonders für den interessierten Laien eignet. Es stammt von dem Musikwissenschaftler Ludwig Finscher und heißt Das klassische Streichquartett und seine Grundlegung durch Joseph Haydn. Eine aufschlussreiche, gut lesbare Einstiegslektüre.
Ekstase durch Entsagung
Taucht das Erlösungsmotiv am Ende von
Wagners Ring rein zufällig auf?
Bereits im dritten Akt der Walküre singt Sieglinde das Motiv in G-Dur mit den Worten »O hehrstes Wunder! Herrliche Maid«. Und in der Götterdämmerung endet der Ring mit diesem Motiv in Des-Dur, der Erlösungstonart. Es taucht also nicht zufällig auf, vielmehr ist es das Ergebnis schöpferischen Grübelns.
Zunächst muss man wissen, dass große Werke wie Goethes Faust oder eben Wagners Ring, die uns erklären wollen, was die Welt im Innersten zusammenhält, nur selten mit einem einfachen, übersichtlichen Fazit aufwarten. Für sein mythenbeladenes Ring -Drama erwog Richard Wagner im Laufe der Jahre gleich mehrere Schlüsse. Am Ende der Tetralogie horten die Rheintöchter das Gold, der Fluch ist ausgelöscht, die Menschen freilich haben eine Katastrophe überlebt. Ihre alte Welt ging verloren. Entsteht aber im Moment des Untergangs eine neue? In der ersten Textfassung von 1852 verkündet Brünnhilde noch ein Reich der Freiheit. Sie singt: »Nicht trüber Verträge trügender Bund, nach heuchelnder Sitte hartes Gesetz, selig in Lust und Leid lässt die Liebe nur sein.«
1856 verwirft Wagner diese Version. Nach seinem Schopenhauer-Erlebnis – auf Empfehlung des proletarierfreundlichen Dichters Georg Herwegh hatte er Die Welt als Wille und Vorstellung gelesen – lässt er Brünnhilde nun Erlösung durch Entsagung predigen. »Trauernder Liebe tiefstes Leiden schloss die Augen mir auf, enden sah ich die Welt.« Aber das waren alles nur Textvarianten. Weit später komponierte Wagner weder den utopischen Freiheitsschluss noch diesen resignierten Schluss, sondern gleichsam zwei Schlüsse: einen, der sich nur auf die Götterdämmerung, das Abschlusswerk der Tetralogie, bezog und einen, der auf alle vier Opern zugleich abzielte. Wie kann das gehen?
Auf der einen Seite endet die Götterdämmerung mit dem Trauermarsch, mit Siegfrieds Tod und Brünnhildes Entsagung. Zugleich schließt das Stück damit, dass Brünnhilde jenes Liebesmotiv aus der Walküre zitiert, als seligen Ausdruck rettender Liebe. Richard Wagner kommt am Schluss der Götterdämmerung also wieder auf seine erste Konzeption von 1852/53 zurück, indem er instrumental ein kraftvolles, Freude spendendes Liebes- und Freiheitsmotiv aufgreift. Verkürzt könnte man auch sagen: Ekstase durch Entsagung.
Wen weitere Details interessieren, möge bei Carl Dahlhaus nachblättern. Sein Buch Richard Wagners Musikdramen ist nach wie vor das Beste, was man über Wagner lesen kann.
Der Kuckuck und die Nachtigall
Ist
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