Sprechende Maenner
Stränge sind stark gewachsen, mein Ursprungsstrang ist verkümmert. Ich habe mal gelesen, dass sich das Gehirn des Mannes verändert, wenn er Kinder bekommt. Bestimmte Areale werden aktiviert, andere sterben ab. Das Zentrum für Verantwortung wächst am meisten. Das für Spaà wird kleiner.
Schwer zu sagen, welche der drei Rollen heute die wichtigste für mich ist. Ich glaube, es sind mittlerweile drei Seiten von mir, die sich gegenseitig brauchen. Es ist auch nicht so, dass eine dieser Seiten die authentische wäre und die anderen nur Verstellung. Jede ist so wahr oder aufgesetzt wie die andere. Und alles zusammen bin ich. Ein dreidimensionaler Mann.
Je nach Situation wechsele ich von einer Rolle zur anderen. Ich passe mich den Erfordernissen an. Wenn ich mit meinen Kumpels unterwegs bin, mache ich anzügliche Witze, wenn ich mit meinen Kindern rede, korrigiere ich ihren Satzbau, wenn ich mit Catherine diskutiere, versuche ich, eine Frau zu verstehen. Jede dieser Situationen erfordert unterschiedliche Kompetenzen. (Vielleicht ist dir schon mal aufgefallen, dass sich meine Stimme verändert, wenn Catherine mich anruft. Weil ich beim Entgegennehmen des Telefonats vom Männerprivatmodus in den Ehemannmodus schalte.)
Du kennst mich vor allem als Privatmann, deshalb erscheinen dir meine anderen Seiten seltsam. Hinzu kommt, dass es für dich wichtig zu sein scheint, möglichst wenig an deinem Männerprivatleben zu verändern. Du willst dir treu bleiben. Die Nichtveränderung ist für dich der Gradmesser der Echtheit. Nicht Pärchenmann werden. Ich aber denke, dass eine Beziehung gerade dann gut ist, wenn sie mich verändert.
aw:
Lieber Maxim, ich finde, es ist eine sehr weibliche Eigenschaft, so viel zu reden und so wenig zu sagen (Muschi). Du bist ein dreidimensio naler Mann, mit einem durch Familiengründung veränderten Gehirn. Maxim in 3-D. Schön, habe ich kapiert. Aber was hat das mit deiner Männlichkeit zu tun?
re:
Für mich ist das alles neu, ich habe mich noch nie selbst so aufgedröselt.
aw:
Was hat das mit deiner Männlichkeit zu tun?
re:
Ich glaube, mir ist meine Männlichkeit deshalb so wichtig, weil sie in meinen beiden Rollen als Vater und Ehemann eine zentrale Bedeutung hat. Neulich lag ein Spielzeug von Nadja eingeklemmt unter dem Reifen eines Autos, und sie bat mich, das Auto hochzuheben. Meinen Einwand, das Auto sei viel zu schwer, hielt sie für eine Ausrede. »Ich dachte, du könntest das«, sagte sie enttäuscht. Kann sein, dass ich dieses Bild geschaffen habe, das mir jetzt entgegenschlägt. Aber ich glaube, für ein Mädchen ist der Vater immer so eine Art Superman. Und das ist auch ganz schön.
In jeder längeren Beziehung gibt es eine gegenseitige Rollenzuschreibung. Wobei es meist so läuft, dass man mehr am Bild des anderen arbeitet als an sich selbst. Das heiÃt, man schafft sich so ein bisschen den Partner, den man haben will. Man definiert damit die Kompetenz und das Talent des anderen. Oder vielleicht auch nur das, was man am meisten von ihm wünscht oder braucht. Für Catherine bin ich ein Fels. Jemand, der ihr Halt gibt, der für sie da ist. Im Gegenzug ist sie für mich die zarte Prinzessin, die es zu beschützen gilt. So weit passen wir ganz gut zusammen.
Ich weià nicht, wie wir zu diesen Rollen gekommen sind, wer da welches Bedürfnis erfüllen wollte. Jedenfalls ist im Ergebnis unserer Rollenfindung ein Bild von mir entstanden, das sehr männlich ist. Catherine betont das auch immer wieder, wie froh sie sei, einen starken Mann zu haben.
Zu Beginn der Rollenverteilung ist es wie ein Spiel, man projiziert seine Wunschbilder auf den anderen. Aber irgendwann beginnt man an die Bilder zu glauben. Man wird zu dem, was in der Rolle vorgesehen ist.
aw:
Lieber Maxim, du bist womöglich ein Allrounder, so als Mann. Ich bin ein Spezialist. Ein Spezialist für mich selbst. Ich kann jeden Tag, im Rahmen meiner beruflichen und gesellschaftlichen Verpflichtun gen und den damit verbundenen Ãblich- und Höflichkeiten, tun, was mir gefällt. Als du mich fragtest, was ich für männlich halte, habe ich »Rücksichtslosigkeit« nicht genannt. Aber genau das ist es. Diese unsympathische Eigenschaft, diese »I do it my way-Attitüde«, die ich, wenn ich ehrlich bin, für sehr männlich halte.
Ich habe am Samstag einen Artikel in der Zeitung gelesen. Es ging um
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