Sprechende Maenner
John Simpson, einen Reporter der BBC. Simpson ist 66 Jahre alt und auf dem linken Ohr taub, eine Verletzung aus dem Irakkrieg. Simpson wurde gefragt: »Sie sagten mal, Sie bereuen, den Vietnamkrieg âºverpasstâ¹ zu haben, weil Sie junger Vater waren.« Simpson antwortete: »Ja, und ich habe diesen Fehler nie wieder gemacht, egal mit wem ich verheiratet war und wie viele Kinder ich gerade hatte. Ein furchtbar dämlicher Fehler. Ich hatte nicht mal Angst, ich habe nur versucht, verantwortungsbewusst zu sein. Das war ich danach nie wieder.«
Ich las das und dachte zuerst: »Wow, was für ein Arsch.« Simpson war mir unsympathisch â und gleichzeitig seltsam nahe. Vertraut. Ich dachte: Er lebt sein Leben, seinen Traum, seine Bestimmung. Und es kümmert ihn offensichtlich einen ScheiÃ, was andere über ihn denken.
Ich habe diese Haltung immer gemocht und bewundert bei Menschen. Ob offen oder heimlich, am Ende macht das keinen Unterschied. Mir war nur bis jetzt nie klar, dass ich diese Haltung mit »männlich« verbinde. Aber so ist es wohl.
Du hast recht, Maxim, wenn du schreibst: »Die Nichtveränderung ist für dich der Gradmesser der Echtheit.« Ich schätze, ich stehe damit nicht allein. Das, was Männer am meisten fürchten, ist doch oft, dass eine Frau sie verändern könnte. Oder sie beschweren sich später genau darüber: dass sie verändert wurden. Veränderung ist für Männer in erster Linie ein Beschwerdegrund.
Ich habe viele Männerveränderungen beobachtet. Aus Männern wurden Pärchenmänner, ein Prozess, der oft mit Selbstaufgabe ver bunden ist. Mal mehr, mal weniger. Männer veränderten, manchmal innerhalb von Monaten, Eigenschaften, Standpunkte, Lebensweisen, Wohnungseinrichtungen, Hobbys, den Musikgeschmack oder wurden Vegetarier. Sie taten das meist ohne groÃe Ãberzeugung. Sie begannen Beziehungen, als müssten sie sich ergeben.
Womöglich bin ich da zu empfindlich, kann schon sein. Ich lege Wert auf den Unterschied zwischen Veränderung und Entwicklung. Ich bin empfindlich, wenn es zur Selbstaufgabe kommt. Selbstaufgabe ist unmännlich, um auf den Ausgangsgedanken zurückzukommen. Und nicht nur das.
Es ist auch unweiblich, wenn du mich fragst.
re:
Jochen, es gibt dieses männliche Minderwertigkeitsgefühl. Ich kenne dieses Gefühl, viele Ehemänner kennen dieses Gefühl. Im Vergleich zur Frau gilt der Mann in Beziehungskreisen als unreifer Bauernlümmel. Er ist nicht gut genug, so wie er ist. Er muss sich entwickeln, muss erzogen werden. Von der Frau. Sie verkörpert das Schöne, Erhabene, Vernünftige, moralisch Hochwertige. Die Frau will Liebe, Babys, Zukunft. Sie will eine Entwicklung in Gang setzen. Sie will etwas schaffen, das gröÃer ist als sie selbst.
Der Mann will eigentlich nur die Frau.
Dafür muss er ihre Träume teilen, sich vom Niederen zum Höheren entwickeln. Das ist der Preis.
Manchmal gibt es Rückfälle. Dann will der Mann aus dem schönen Wir ausbrechen und in sein kleines, hässliches Lümmel-Ich zurückkehren. Zum Beispiel mit seinen Kumpels eine Nacht umherziehen. Trinken, tanzen, reden, unter Männern sein. »Aha, dann ist dir die Sache mit uns also nicht so wichtig«, sagt die Frau. Und dem Mann geht ein Stich durchs Herz, weil er es schon wieder nicht vermocht hat, gut genug zu sein.
PS : Lieber Jochen, unsere Unterhaltung über die Männlichkeit erinnert mich an einen Western, den ich vor Jahren gesehen habe. In dem Film gab es einen wortkargen Kopfgeldjäger, der stets allein durch die Gegend ritt, und es gab einen Sheriff, der eine Familie und eine Ranch hatte. Die beiden Männer verbrachten eine Nacht gemeinsam an einem Lagerfeuer und erzählten sich ihr Leben. Sie machten also im Grunde das, was wir hier machen, nur mit etwas mehr Romantik. Irgendwann kam die Frage auf, ob sie das Leben des anderen leben wollten, ob sie es überhaupt könnten. Es herrschte Stille am Lagerfeuer. Irgendwann sagte der Kopfgeldjäger, er sei der Einzige, mit dem er sich wohlfühle. »Ich kann es mir nicht leisten, mich zu verlieren.« Der Sheriff nickte, sie kippten noch einen Whiskey und schliefen am Feuer ein.
Tag 14
An dem es um Eitelkeit und Schönheitsoperationen geht. Und an dem erklärt wird, warum Männer lieber den Popo ihrer Frau verschönern als ihren eigenen
Lieber Sheriff, bist du
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