Sprechende Maenner
du schreibst, ich würde mit einem männlichen Selbstbild leben, dem ich, von auÃen betrachtet, nicht entspreche. Ja, das ist doch logisch, ist ja schlieÃlich ein Selbstbild, das soll gar nicht von auÃen betrachtet werden! Es ist ein Bild, das nur für Catherine und mich da ist. Ein Bild, das für niemanden sonst einen Sinn ergibt. Zeige mir das Selbstbild, das einem kritischen Blick von auÃen standhält.
Nimm zum Beispiel dich. Du wähnst dich im Stadium der fortgeschrittenen Jugend. Aber alle um dich herum sehen einen Mann, dem die Zeit davonläuft.
Ich glaube, dass Catherine mich als Mann braucht. Weil sie sich nur so als Frau spüren kann. Das funktioniert in beide Richtungen. Ich bot ihr mal an, zu Hause zu bleiben und mich um den Haushalt und die Kinder zu kümmern, wenn sie das Geld ranschafft. Sie sah mich an, als hätte ich ihr von einer bevorstehenden Geschlechtsumwandlung erzählt. Sie sagte, sie wolle einen Mann. Keinen Hausmann. Catherine ist Französin, und ich liebe sie dafür, dass sie so deutlich weiblich ist. Und mir damit so ein deutlich männliches Gefühl gibt. Ich könnte, glaube ich, gar nicht mehr mit einer deutschen Goretexjacken-Frau zusammen sein. Ich glaube, diese Frauen haben schon seit Langem das Weibchen in sich vergessen. Sie bekommen Kinder, die Swantje oder Tabea heiÃen und die mit Naturkautschuknuckeln aufwachsen. Die Mädchen dürfen keine Kleider tragen, und die Jungs dürfen nicht mit Pistolen spielen, weil das genderpolitisch und auch sonst total inkorrekt ist. Es entsteht so eine Art drittes Geschlecht, irgendetwas zwischen Mann und Frau. Ein Brückenmensch, der hilflos in der Welt herumirrt. Deshalb sage ich: Wir brauchen auch weiterhin Männer und Frauen. Und starke Selbstbilder, auch wenn nur wir selbst daran glauben.
re:
Ich merke, du fühlst dich angegriffen, Maxim. Das stimmt mich froh. Wo die Verletzung schmerzt, ist die Wahrheit nicht fern.
Warum bedeutet dir Männlichkeit so viel? Dein sorgsam gepflegtes und erstelltes Selbstbild? Du sagst, Selbstbilder sind nur für einen selbst da. Selbstbefriedigung ist nur für einen selbst da, Maxim. Aber Selbstbilder, die trägt man in die Ãffentlichkeit.
Ich finde, es ist doch unglaublich interessant: Wir sind zwei Männer und tun uns so schwer damit, unsere Männlichkeit zu beschreiben. Du erzählst von einem gefällten Baum und einem Zehennagel. Ich schreibe, dass Männlichkeit für mich kaum eine Rolle spielt. Das ist der Kern unserer Konversation. Die Quintessenz.
Männlichkeit scheint sich aufzulösen. Sie ist nur noch begrenzt erlebbar, selbst für uns Männer. Wir brauchen kleine Gebiete, die uns die Frauen bereitstellen, so wie Indianerreservate. Oder wir greifen zurück auf die alten Bilder und Gesten unserer Väter. Warum? Was ist passiert?
Tag 13
An dem der dreidimensionale Mann geboren wird und darüber nachzudenken ist, wie sehr sich Männer von Frauen beeinflussen lassen dürfen
Lieber Jochen, du wunderst dich, warum mir Männlichkeit so viel bedeutet. Zuerst muss ich dir und mir einiges erklären. Es ist alles kompliziert, deshalb taste ich mich langsam voran: Ich habe verschiedene Rollen übernommen, seit ich verheiratet bin, seit ich Kinder habe. Jede dieser Rollen spricht unterschiedliche Seiten von mir an, erfordert ein bestimmtes Verhalten und entsprechende Funktionen.
Für die Kinder bin ich der Beschützer, der Erklärer, der Erzieher. Und nicht zuletzt auch der Typ, der abends die Brotbüchse vorbereitet und eine Gutenachtgeschichte vorliest. Kurzum, ich bin der Vater, der sie liebt und für sie da ist. Oft bin ich auch nur der Mann, der ihnen wahnsinnig auf die Nerven geht.
Mein Leben als Vater ist anspruchsvoll, aber nichts im Vergleich zur Komplexität meiner Rolle als Ehemann. Für Catherine bin ich der Liebhaber, der Kogeschäftsführer unserer Kleinfamilie, die wichtigste Vertrauensperson, der Unterhalter, der Zuhörer und intellektuelle Partner. Und nicht zuletzt auch der Typ, der den Wochenendeinkauf erledigt.
Und neben diesen, ich würde sagen Hauptrollen führe ich noch ein kleines Männerprivatleben. Ich treffe meine Kumpels und versuche, Spaà zu haben.
Diese drei Lebensstränge haben sich mit den Jahren unterschiedlich entwickelt. Ganz am Anfang hatte ich nur mein Männerprivatleben, dann kam der Ehemann dazu. Und dann der Vater. Die neuen
Weitere Kostenlose Bücher