Sprechende Maenner
sie war so hibbelig, ich fühlte mich manchmal unwohl neben ihr, gesetzt, und wer will sich schon gesetzt fühlen? Ich hätte mir gewünscht, sie wäre wenigstens 25 gewesen oder 27. Aber ich erinnere mich an eine Nacht in einem Hotel in Manhattan. Marie lag auf dem Bett, nackt, und ich hatte mein Gesicht zwischen ihren Schenkeln vergraben. DrauÃen ging der Wind, es war eine klare Nacht, es war warm, das Mondlicht sickerte durch das Fenster und ⦠ach, alles Quatsch. Keine Ahnung, ob der Mond schien.
Mein Gesicht war zwischen ihren Schenkeln, und ich dachte die ganze Zeit daran, dass ich vielleicht nie wieder meinen Kopf in einen 22-jährigen Schoà stecken werde. Dass ich diesen Moment genieÃen müsste. Ich lag da wie ein Verkoster, ich kostete ein letztes Mal an der Jugend. Nur darum ging es wohl.
Der Sex anschlieÃend war okay. Aber diese Nacht ist bis heute in meinem Kopf. Ich weià nicht, wie es später sein wird, aber ich kann mir nicht vorstellen, mit einer 50-jährigen Frau zu schlafen. Zumindest kann ich mir auf gar keinen Fall vorstellen, mit einer 60-jährigen Frau zu schlafen.
Du, Maxim, wirst vielleicht sagen: Da wächst man rein. Ganz automatisch. Die Attraktivitätskriterien wachsen mit. Verändern sich, altern quasi. Die Frau, die man liebt, bleibt immer jung, immer schön. Aber ist das so? Ist das nicht geheuchelt? Würden wir nicht alle den jungen Dingern hinterherrennen, wenn unsere 60-jährigen Frauen sagen: »Schlaf, mit wem du willst, Geliebter. Gerne auch in unserer Wohnung, aber bitte nur bis 17 Uhr.« Na ja, daran muss ich denken, wenn wir über die moderne plastische Chirurgie reden.
aw:
Ist dir eigentlich was aufgefallen, Jochen?
re:
Was?
aw:
Wir haben uns nicht gestritten. Schönheitsoperationen sind das erste Thema, bei dem wir uns einig sind.
re:
Stimmt. Leider. Wir sind so gewöhnlich. Männerklischees.
aw:
Lieber Jochen, weil wir gerade im Klischee stecken. Es gibt ja zwei Klischees von männlichen Singles: Sie lernen nie jemanden kennen. Oder ständig. Wie ist es eigentlich bei dir?
re:
Ich lerne manchmal jemanden kennen.
aw:
Wann zum letzten Mal?
re:
Vor ein paar Tagen.
aw:
Vor ein paar Tagen?! Und das verschweigst du mir?
re:
Habe ich dir doch gerade erzählt.
aw:
Gar nichts hast du erzählt. Was ist das für eine Frau?
re:
Dunkelhaarig. 1,70. Hat eine Vor- und eine Rückseite. Also ganz klassisch.
aw:
Nun erzähl doch mal. Was ist bisher passiert? Muss ich dir alles aus der Nase ziehen?
re:
Bisher ist noch nichts passiert. Lass meine Nase in Ruhe.
aw:
Wo hast du sie kennengelernt?
re:
Im Internet.
aw:
Im Internet?
re:
Im Internet.
aw:
Jochen, zum ersten Mal seit Tagen hast du was Interessantes zu erzählen. Und du machst auf verschlossene Auster. Los, ich will alles wissen, jedes schmutzige Detail. Wie funktioniert so was im Internet? Wie hast du sie ausgewählt? Schon getroffen? Wo? Wie lange? Wann siehst du sie wieder?
re:
Lieber Maxim, die ganze Zeit über erzählst du mir in poetischen Sätzen von deiner Frau, deiner Familie, deinem Glück. Jetzt hüpfst du plötzlich aufgeregt umher und leckst dir die Finger nach »schmutzigen Details«. Daran erkenne ich: 1. Familienväter sind Freaks. 2. In deinem Leben herrscht ein Mangel an Schmutz. Es ist ganz schlicht: Man lernt Frauen kennen in einem Club, auf einer Party, über Bekannte und eben auch im Internet. Ich vermute, du hast deine Frau vor 50 Jahren an der Uni in einem Proseminar kennengelernt. Ich besuche aber keine Proseminare mehr, weil sonst alle denken, da kommt der Herr Professor.
Ich besuche das Internet. Dort gibt es Seiten, da meldet man sich an. Nichts Besonderes, es ist, als würde ich in einer Bar eine Frau ansprechen.
Na ja, das warâs.
aw:
Aber das ist es doch, was ich wissen will. Erzähl mir mehr!
re:
Das warâs.
aw:
Okay, ich verstehe. Du willst nicht darüber reden. Vielleicht kannst du überhaupt schwer über solche Sachen reden. Du brauchst noch Zeit. Wenn du reden willst, sag mir Bescheid. Ich bin für dich da.
Tag 15
An dem die Vor- und Nachteile der Monogamie besprochen werden und auch mal gesagt wird, dass Sex mit zwei Frauen Angst machen kann
Lieber Maxim, bist du schon wach?
aw:
Es ist 8.35 Uhr. Natürlich bin ich wach. Seit 6.45 Uhr.
re:
Radiowecker, Mäusegeschichte, Kinder zur Schule gebracht, Frau geweckt. Alles schon
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