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Sprechende Maenner

Sprechende Maenner

Titel: Sprechende Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxim Leo , Jochen-Martin Gutsch
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runter.
    Die Schranke wird eingebaut, wenn man verheiratet ist. Die Montage erfolgt während des sowieso fälligen Umbaus des männlichen Gehirns. Die Pförtnerin fängt übrigens auch sexuelle Fantasien und unzüchtige Gedanken ab. Das alles wird umgehend in der Sonderabteilung für verbotene Gedanken vernichtet. Ehemänner funktionieren grundsätzlich nicht anders als die DDR .
    Die Geschichte von meinem Gehirn habe ich Catherine neulich erzählt, als sie sich wieder einmal beschwerte, dass ich einen heftigen Streit, der erst ein paar Tage zurücklag, fast vollständig vergessen hatte. Sie fand die Geschichte blöd, hielt sie für eine Ausrede. Aber ich glaube, so übertrieben ist das alles nicht. Es muss irgendetwas geben in mir, einen Problemabsauger. Ich mache das ja nicht mit Absicht. Früher hat mich Catherine noch gelobt, weil ich so wenig nachtragend war. Bis sie merkte, dass ich es einfach nur vergessen hatte.
    Sie denkt nun, ich fände das alles nicht wichtig. Unsere Streite, unsere Probleme, ihre Tränen. Dabei bin ich gar nicht aktiv tätig. Die Gedanken versickern von alleine, einfach so. Bilder vergesse ich seltsamerweise nie. Ich kann unseren Streit noch sehen, aber ohne Ton, wie einen Stummfilm.
    re:
    Lieber Maxim, du vergisst Streite. Okay. Aber kannst du in den Tie fen deiner porösen Großhirnrinde, weit in der Todeszone der Probleme, vielleicht noch verblasste, bereits von Bernstein umschlossene Fußabdrücke vergangener Streite erkennen? Wenigstens die Streitanlässe? Wie laufen Ehestreite ab, Maxim?
    aw:
    Immer ähnlich. Deshalb kann ich mich auch noch verschwommen daran erinnern. Zunächst braucht es ein geeignetes Thema, zum Beispiel ihre Familie oder meine Familie oder Urlaub mit ihrer Familie. Oder ich habe eine wichtige Information ihrer Großmutter nicht übermittelt. Oder ich spreche zu wenig. Oder ich spreche zu wenig über uns. Oder ich fühle mich nicht dafür verantwortlich, was in der Schule der Kinder passiert. Oder es ist überhaupt ungerecht, wie die Aufgaben bei uns verteilt sind. Oder ich gehe zu oft weg. Oder wir streiten uns zu selten. Oder zu oft.
    Das ist übrigens mein Lieblingsstreit. Der über den Streit. Catherine meint, es gäbe eine gesunde, grundsätzlich zu empfehlende Streitmenge für verheiratete Paare in Mitteleuropa. Zu wenig streiten bedeutet, man hat sich nichts mehr zu sagen. Zu viel streiten bedeutet, man hat sich nichts mehr zu sagen.
    Beides ist nicht gut.
    Wenn das Thema einmal angeschnitten ist, steigen die Spannung und der Adrenalinspiegel. Es ist ein bisschen wie beim U -Boot-Krieg im Gelben Meer, eigentlich hat niemand Bock auf Krieg, aber die Torpedoklappen stehen schon mal vorsichtshalber offen. Und irgendwann rutscht dann eben auch eins raus. Meistens bin ich natürlich schuld. Und meistens liegt es an einer Verallgemeinerung. Catherine verabscheut nichts mehr als Verallgemeinerungen. Wenn ich zum Beispiel sage: »Du hast es doch noch NIE geschafft, mit deiner Familie mal entspannt über unseren Urlaub zu reden.« Bereits während ich spreche, spüre ich, wie die Stimmung sich verändert. Viel zu spät fällt mir auf, dass ich schon wieder verallgemeinert habe.
    Catherine ist eine aggressive Streitpartnerin. Wenn bei ihr ein bestimmtes Aggressionsniveau überschritten ist, kann man nicht mehr sagen: »Baby, du siehst so wundervoll aus, wenn du wütend bist. Komm, lass uns miteinander schlafen.« Stattdessen verbeißt sie sich in ihr Opfer, also in mich. Sie fordert Erklärungen oder, noch besser, Entschuldigungen. Es ist die alte Ablasshandelnummer, was vielleicht daran liegt, dass Catherine Katholikin ist. Erst wenn ich bezahle, lässt sie etwas locker. Bezahlen heißt in dieser Phase des Streits winselnd zu ihr hinkriechen, mich mit einem Dornengürtel selbst prügeln und Besserung geloben. Der Ausgangspunkt des Streits ist zu diesem Zeitpunkt längst vergessen. Es geht jetzt nur noch um die Verallgemeinerung. Irgendwann ist selbst meine salomonische Gelassenheit erschöpft, ich rege mich auf und suche bei Catherine nach einer Schwachstelle. Ich habe einen untrüglichen Sinn dafür, genau den Punkt zu finden, der sie in dem Moment maximal verletzt.
    Ist dieser Punkt erreicht, sind die nächsten drei bis vier Stunden fest verplant. Irgendwann sehe ich mit Bestürzung, was ich angerichtet habe. Ich entschuldige mich

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