Sprengkraft
rosafarbenem Schmuddelpuff.
Der Text zitierte einen evangelischen Bischof: Das geplante Gebäude würde einschüchternd auf Nichtmuslime wirken. Zu wuchtig die Architektur, zu hoch die Türme. Außerdem sei den Anwohnern die erhöhte Verkehrsbelastung nicht zuzumuten.
Zumindest da ist etwas dran, dachte Moritz, als er seinen Ford startete.
Beim Wenden fiel sein Blick auf das rosa Haus mit den verhängten Fenstern. Vielleicht steckte hinter der Partei und ihrem spendensammelnden Flugblattverteiler auch nur der Puffbetreiber, der dem neuen Gotteshaus nicht weichen wollte.
Moritz gab Gas, er hatte genug Zeit vertrödelt.
Hinter Dormagen ging es nur im Schritttempo voran. Baustelle. Moritz hatte kalkuliert, die Strecke nach Düsseldorf in höchstens vierzig Minuten zurücklegen zu können. Ein Blick auf die Uhr: Es würde eng werden.
Er schaltete das Radio ein, Nachrichten: In Sittensen bei Hamburg war ein muslimischer Gebetsraum in Brand gesetzt worden, keine Verletzten, nur Sachschaden. Die Polizei hatte einen einschlägig bekannten achtzehnjährigen Rechtsradikalen als Tatverdächtigen festgenommen, der in der Umgebung Klebezettel mit islamfeindlichen Parolen angebracht hatte.
Hoffentlich steckten hinter dem Großfeuer in Mainz nicht auch die Neonazis, dachte Moritz und erinnerte sich an Solingen vor sechzehn Jahren: Zwei Frauen und drei kleine Mädchen waren gestorben, nachdem Rechtsradikale Mollis in ein von Türken bewohntes Haus geschleudert hatten. Als damaliger Redakteur des Kölner Kurier hatte Moritz wochenlang darüber berichtet.
Unlängst hatte die Zeitung ein Foto von einer Gedenkveranstaltung in Solingen abgedruckt: die überlebende Mutter der Opferfamilie in Großaufnahme, sie trug den Hijab, das Kopftuch. Moritz fragte sich, ob sie das auch vor fünfzehn Jahren schon getan oder ob er damals nur nicht darauf geachtet hatte. Woran lag es, dass sich die Kulturen so fremd blieben? Moritz fiel ein Streit ein, den er im letzten Jahr mit seiner Freundin Petra über das Kopftuchverbot für Lehrerinnen an deutschen Schulen geführt hatte. Moritz tendierte zum Verbot und hatte seinen Standpunkt vehementer vorgetragen, als es seiner Überzeugung entsprochen hatte – Petra hatte kurz zuvor verkündet, das Jobangebot der bayerischen Grünen anzunehmen und mit Gretchen, ihrer gemeinsamen Tochter, nach München zu ziehen. Vermutlich war er deshalb so gereizt gewesen.
Sein Handy gab Laut. Moritz fummelte das Gerät aus der Hosentasche. »Lemke.«
»Hey, Lemmi, ich bin’s, Tom.«
Moritz’ Kumpel Thomas Brennecke, ein Freund aus der Studentenzeit, als sie noch gemeinsam auf jede Demo gegangen waren. Auch Tom war längst etabliert.
Er fragte: »Nimmst du den Job an?«
»Bin gerade auf dem Weg.«
»Sieh zu, dass du eine gute Figur machst, Alter, immerhin habe ich dich empfohlen!«
Thomas Brennecke betrieb eine PR-Agentur und war den Liberalen beigetreten, die seit vier Jahren in Nordrhein-Westfalen mit regierten. Ob aus Überzeugung oder um das Geschäft anzukurbeln, war Moritz nicht ganz klar.
»Danke, Tom. Aber du weißt ja: Wenn ich Minister Andermatt sympathischer fände, wäre mir die Zusage leichter gefallen.«
»Hey, du bist Profi.«
»Klar, keine Sorge.«
»Also viel Erfolg, Lemmi!«
Moritz bedankte sich und steckte das Handy weg. Er konnte sich persönliche oder weltanschauliche Vorbehalte nicht leisten. Während der Zeitungskrise im vorletzten Jahr hatte er die langjährige und bombensicher geglaubte Stelle beim Kurier verloren – und musste rasch erkennen, dass die rheinische Medienlandschaft nicht auf einen ausgemusterten Politikredakteur gewartet hatte, der stramm auf die fünfzig zuging.
Zum Glück gab es Thomas Brennecke. Der Kumpel hielt ihn mit Aufträgen über Wasser.
Der Stau löste sich auf.
Dr. Waldemar Weber, Eingang nebenan.
Moritz ging zur nächsten Tür, klopfte und betrat das Vorzimmer. Die Sekretärin war erstaunlich jung und trug eine helmartige Frisur im Sixties-Retrolook – vermutlich versprühte sie jeden Morgen eine Dose Drei-Wetter-Taft. Sie musterte ihn prüfend, griff zum Telefon, gab ihrem Chef Bescheid und entließ Moritz in Webers Büro.
Der Pressesprecher des nordrhein-westfälischen Innenministers erinnerte Moritz an einen Strebertyp aus seiner Abiturklasse, der stets in der ersten Reihe gesessen hatte: blass, feist und ein Lächeln im Gesicht, das so dauerhaft wie falsch war. Waldemar Weber gab Moritz die Hand und wies
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