Sprengstoff
aufgrund der Entfrostungsanlage sofort schmolz und in Schlieren die Scheibe entlangrann. Wie Tränen.
Er parkte wieder hinter dem Haus und ging nach vorne ins Büro. Bevor er eintrat, betrachtete er sein gespenstisches Spiegelbild in der Türscheibe und wischte sich einen rosa Belag von den Lippen. Die Auseinandersetzung mit Ordner hatte ihn mehr aufgeregt, als er erwartet hätte. Er hatte unterwegs vor einem Drugstore gehalten und sich eine Flasche Pepto-Bismol besorgt. Auf dem Weg hier raus hatte er schon die Hälfte davon runtergeschluckt. Jetzt werde ich wohl wochenlang nicht richtig aufs Klo können, Fred. Aber Freddy war nicht zu Hause. Vielleicht besuchte er Monohans Verwandte in Bombay.
Die Frau in der Kinokasse arbeitete wieder an der Rechenmaschine. Sie schenkte ihm ein nachdenkliches Lächeln und bedeutete ihm, er könne gleich hineingehen.
Magliore war allein und las im Wallstreet Journal. Als er eintrat, warf er die Zeitung quer über den Tisch und in den Papierkorb, wo sie mit einem Rascheln der Blätter landete.
»Wenn das so weitergeht, fahren wir direkt zur Hölle«, sagte er, als führe er einen inneren Dialog fort, der schon früher begonnen hatte. »Die Börsenmakler sind alte Waschweiber, da hat Paul Harvey ganz recht. Wird der Präsident zurücktreten? Wird er’s nicht tun? Will er es überhaupt?
Wird General Electric an dieser Energiekrise bankrott gehen?
Das geht mir alles auf die Nerven.«
»Ja«, sagte er, ohne zu wissen, worin er ihn bestätigte. Er fühlte sich unsicher, denn er wußte nicht so recht, ob Magliore sich überhaupt noch an ihn erinnerte. Was sollte er sagen? Ich bin der Kerl, der Sie gestern einen Knallkopf genannt hat, erinnern Sie sich? Das war wohl kaum ein guter Anfang.
»Schneit es immer noch dräuen?«
»Ja, sogar ziemlich stark.«
»Ich mag keinen Schnee. Mein Bruder fährt jedes Jahr im November nach Puerto Rico und kommt erst am fünfzehnten April wieder zurück. Behauptet, daß er sich da um seine Investitionen kümmern muß. Quatsch. Der kann sich nicht mal um seinen eigenen Arsch kümmern. Was wollen Sie?«
»Ha?« Er zuckte zusammen und fühlte sich schuldig.
»Sie sind zu mir gekommen, damit ich Ihnen etwas besorge. Wie kann ich es Ihnen beschaffen, wenn ich nicht weiß, was es ist?«
Als er so brutal damit konfrontiert wurde, fiel es ihm schwer, darüber zu sprechen. Es war, als weigerten die Worte sich, ausgesprochen zu werden.
Ihm fiel eine Episode aus seiner Kindheit ein, und er lächelte zaghaft.
»Was ist denn so lustig?« fragte Magliore scharf, aber freundlich. »So, wie die Geschäfte im Augenblick laufen, könnte ich eine Aufheiterung vertragen.«
»Ich hab’ mir mal, als ich noch ein Kind war, ein Jo-Jo in den Mund gesteckt«, antwortete er.
»Und das ist lustig?«
»Nein, aber ich bekam es nicht wieder heraus. Das ist lustig. Meine Mutter hat mich zum Arzt gebracht, und der hat es wieder herausgeholt. Er hat mir einfach einen Tritt in den Hintern gegeben, und als ich den Mund aufmachte, um zu schreien, hat er es schnell herausgezogen.«
»Ich werde Sie nicht in den Hintern treten«, bemerkte Magliore trocken. »Was wollen Sie von mir, Dawes?«
»Sprengstoff.«
Magliore starrte ihn an. Er verdrehte die Augen und schien etwas sagen zu wollen, aber statt dessen schlug er sich erst einmal gegen seine Hängebacke. »Sprengstoff?«
»Ja.«
»Ich hab’s ja gewußt, daß er ein Spinner ist«, sagte Magliore zu sich selbst. »Ich hab’s noch zu Pete gesagt, gestern, nachdem Sie gegangen waren. ›Dieser Kerl da wartet darauf, daß ein großer Unfall passiert.‹, hab’ ich zu ihm gesagt.«
Er erwiderte nichts. Das Gerede vom Unfall erinnerte ihn an Johnny Walker.
»Also gut. Sagen Sie mir, wozu Sie Sprengstoff brauchen.
Wollen Sie die ägyptische Handelsausstellung in die Luft jagen? Oder ein Flugzeug entführen? Oder wollen Sie einfach bloß Ihre Schwiegermutter damit in die Hölle schicken?«
»An die. würde ich keinen Sprengstoff verschwenden«, antwortete er steif, und beide mußten lachen. Aber es löste die Spannung zwischen ihnen nicht.
»Also? Was ist es? Wen haben Sie auf dem Kieker?«
»Ich habe niemanden auf dem Kieker«, antwortete er.
»Wenn ich jemanden umbringen wollte, würde ich mir ein Gewehr kaufen.« Dann fiel ihm ein, daß er sich ja schon ein Gewehr gekauft hatte. Zwei sogar. Sein mit Pepto-Bismol gefüllter Magen fing plötzlich an zu grollen.
»Und wozu brauchen Sie nun den Sprengstoff?«
»Ich
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