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Sprengstoff

Sprengstoff

Titel: Sprengstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Bronzeplakette, auf der stand:

    MENSCHLICHE WASCHMASCHINE
    28. November, 1973
    Erlegt an der Deakman-Kreuzung

    »Wie bitte?« fragte Harry Swinnerton verwirrt.
    »Ich sagte, ich beneide ihn auch«, sagte er und schloß die Augen. Eine Welle von Übelkeit übermannte ihn. Ich drehe   durch, dachte er. Das, was ich hier erlebe, nennt man durchdrehen.
    »Oh, eh, bis später dann.«
    »Ja, bis später. Und vielen Dank noch mal, Mr. Swinnerton.«
    Er legte auf, öffnete wieder die Augen und betrachtete sein nacktes Büro. Dann drückte er auf den Knopf seiner Sprechanlage.
    »Phyllis?«
    »Ja, Mr. Dawes?«
    »Johnny ist gestorben. Wir machen zu für heute.«
    »Ich hab’ gesehen, wie die anderen weggegangen sind, und hab’s mir schon gedacht.« Phyllis’ Stimme klang, als hätte sie gerade geweint.
    »Versuchen Sie bitte, ob Sie Mr. Ordner ans Telefon bekommen, bevor Sie gehen.«
    »Ja, natürlich.«
    Er schwang seinen Stuhl herum und sah aus dem Fenster.
    Draußen rumpelte eine Straßenwalze vorbei. Sie war hellorange gestrichen, und ihre riesigen Walzen stampften über den Asphalt. Es ist alles ihre Schuld, Freddy. Es hat alles ganz gut geklappt, bis diese Kerle von der Stadtverwaltung beschlossen haben, mein Leben zu zerstören. Es ging doch alles ganz gut, nicht wahr, Freddy?
    Freddy?
    Fred?
    Das Telefon klingelte, und er nahm den Hörer ab.
    »Dawes.«
    »Sie sind verrückt«, sagte Steve Ordner mit müder Stimme. »Sie müssen völlig den Verstand verloren haben.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Ich will sagen, daß ich heute vormittag um halb zehn persönlich in Monohäns Büro angerufen habe. Die McAn-Leute haben den Vertrag über die Waterfordfabrik pünktlich um neun Uhr unterzeichnet. Was, zum Teufel, ist da geschehen, Bart?«
    »Ich finde, das sollten wir lieber persönlich besprechen.«
    »Das finde ich auch. Und ich finde, daß Sie sich eine verdämmt gute Entschuldigung ausdenken müssen, wenn Sie Ihren Job behalten wollen.«
    »Hören Sie auf, mit mir zu spielen, Steve.«
    »Was?«
    »Sie haben überhaupt nicht die Absicht, mich zu behalten, nicht mal als Putzfrau. Ich habe schon meine Kündigung geschrieben. Ich hab’ sie zwar versiegelt, aber ich kenne sie auswendig. ›Ich kündige. Unterzeichnet: Barton George Dawes.‹«
    »Aber warum denn?« Es klang, als wäre er körperlich verletzt worden. Aber er wimmerte nicht so wie Arnie Walker.
    Er bezweifelte, ob Steve Ordner je seit seinem elften Geburtstag mal gejauchzt oder gewimmert hatte. Das war die letzte Zuflucht von Untertanen.
    »Um zwei?« fragte er.
    »Zwei paßt mir gut.«
    »Auf Wiedersehen, Steve.«
    Er legte auf und betrachtete ausdruckslos die gegenüberliegende Wand. Nach einer Weile steckte Phyllis noch mal ihren Kopf zur Tür herein. Unter ihrer sorgfältigen Altweiber-frisur wirkte sie verwirrt und unglücklich. Ihren Chef taten-los in seinem kahlen Büro rumsitzen zu sehen, machte sie nicht gerade glücklicher.
    »Mr. Dawes, soll ich wirklich gehen? Es würde mich freuen, wenn ich Ihnen …«
    »Nein, nein, Phyllis, gehen Sie ruhig nach Hause.«
    Sie kämpfte mit sich, ob sie noch etwas sagen sollte, aber er drehte den Stuhl zum Fenster um, um ihnen beiden die Pein-lichkeit zu ersparen. Einen Augenblick später hörte er, wie hinter ihm ganz leise die Tür zugemacht wurde.
    Unten jaulte der Boiler noch einmal auf und erstarb dann.
    Auf dem Parkplatz sprangen verschiedene Automotoren an.
    Er saß in seinem leeren Büro in seiner leeren Wäscherei und wartete, bis es Zeit war, Ordner aufzusuchen. Er nahm seinen Abschied.
    Ordners Büro befand sich in einem der Wolkenkratzer in der Innenstadt, die die Energiekrise bald ziemlich überflüssig machen würde. Siebzig Stockwerke reine Glasfassade, schwer zu heizen im Winter, ein horrender Aufwand, sie im Sommer zu klimatisieren. Amrocos Büros befanden sich im fünfund vierzigsten Stock.
    Er parkte seinen Wagen in der Tiefgarage, fuhr mit dem Fahrstuhl in die Eingangshalle hoch und marschierte dort sofort auf die Fahrstühle an der rechten Seite zu. Diesmal stand er mit einer Schwarzen im Fahrstuhl, die eine ausladende Afrofrisur trug. Sie hatte ein dunkles Jackett an und hielt einen Stenoblock unterm Arm.
    »Mir gefällt Ihr Afro«, sagte er spontan ohne besonderen Anlaß.
    Die Frau musterte ihn kühl und sagte nichts.
    Stephen Ordners Vorzimmer war mit supermodernen Möbeln ausgestattet. Seine rothaarige Sekretärin saß unter einer Reproduktion von van Goghs ›Sonnenblumen‹.

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