Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sprengstoff

Sprengstoff

Titel: Sprengstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
aufhörte. Was machte er hier auf dem Fußboden in seinem Wohnzimmer, seine Knie umklammernd und zitternd wie ein Alkoholiker in der Gosse? Oder ein Geisteskranker, ein bescheuerter Psychopath, das kam der Sache wohl näher. War er das wirklich? War er geisteskrank? Nicht so etwas Komisches und Harmloses wie ein Spinner oder ein Knallkopf oder einfach nur ein Verrückter, sondern ein wirklicher, echter Psychopath? Der Gedanke erfüllte ihn erneut mit Schrecken. War er wirklich zu einem Berufsverbrecher gegangen, um sich den Sprengstoff zu besorgen? Hatte er wirklich zwei Gewehre in seiner Garage versteckt, von denen eins groß genug war, um einen Elefanten zu töten? Ein hoher, wimmernder Ton entschlüpfte seiner Kehle, und er versuchte vorsichtig aufzustehen. Seine Knochen knackten wie die eines sehr alten Mannes.
    Er torkelte die Treppen hinauf, wobei er sich jeden weiteren Gedanken verbot, und trat ins Schlafzimmer. »Olivia?«
    Es war volkommen lächerlich, wie in einem altmodischen Rudolph-Valentino-Film. »Bist du noch wach?«
    »Ja«, antwortete sie, kein bißchen schläfrig. »Die Uhr hat mich nicht einschlafen lassen. Diese Digitaluhr. Sie hat ständig klick gemacht. Ich hab’ den Stecker rausgezogen.«
    »Das ist schon in Ordnung«, sagte er. Lächerlich, einfach lächerlich. »Ich habe schlecht geträumt.«
    Die Bettdecke wurde zurückgeschlagen. »Komm«, sagte sie. »Komm zu mir.«
    »Ich …«
    »Willst du wohl den Mund halten.«
    Er schlüpfte ins Bett. Sie war nackt. Sie liebten sich und danach schliefen sie ein.
    Am nächsten Morgen herrschten draußen immer noch zehn Grad minus. Sie fragte, ob er eine Zeitung ins Haus bekäme.
    »Früher mal«, antwortete er. »Kenny Upslinger hat sie immer ausgetragen. Seine Familie ist jetzt nach lowa gezogen.«
    »Iowa, immerhin«, bemerkte sie und drehte das Radio an.
    Sie hörten gerade noch den Wetterbericht. Es würde ein kalter, klarer Tag werden. 
    »Möchtest du ein Spiegelei?«
    »Zwei, wenn du soviel hast.«
    »Sicher. Hör mal, wegen gestern nacht …«
    »Mach dir keine Sorgen deswegen. Ich bin gekommen. Das ist bei mir sehr selten. Es hat mir gefallen.«
    Er war insgeheim stolz darauf, aber vielleicht wollte sie genau das erreichen. Er briet die Eier, zwei für sie und zwei für sich. Kaffee und Toast. Sie trank drei Tassen mit Zucker und Sahne.
    »Was wirst du jetzt tun?« fragte sie, als sie beide ihr Frühstück beendet hatten.
    »Ich bring’ dich nach Landy«, antwortete er prompt.
    Sie fuhr ungeduldig mit einer Hand durch die Luft. »Das meine ich nicht. Was fängst du mit deinem Leben an?«
    Er grinste. »Das klingt verdammt ernst.«
    »Nicht für mich«, entgegnete sie, »sondern für dich.«
    »Ich hab’ noch nicht darüber nachgedacht. Weißt du, ehe« - er betont das ›ehe‹ leicht, als wolle er damit andeuten, daß sein gesamtes Leben und alles, was dazugehörte, bis ans Ende der Welt weggesegelt war - »ehe dieses Beil auf mein Glück gefallen ist, habe ich mich wie ein zum Tode Verurteil-ter in der Todeszelle gefühlt. Nichts war mehr real. Ich kam mir vor wie in einem gläsernen Traum, der niemals aufhören würde. Aber letzte Nacht … das war sehr real.«
    »Ich bin froh«, sagte sie und sie sah auch froh aus. »Aber was wirst du jetzt tun?«
    »Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Ich finde es traurig«, sagte sie.
    »Ist es das?« Es war eine ehrlichgemeinte Frage.
    Sie saßen wieder im Wagen und fuhren auf der Route 7 nach Landy. Der Stadtverkehr war zähflüssig, die Leute waren auf dem Weg zu ihrer Arbeit. Als sie an der Baustelle vorbeikamen, fingen die täglichen Arbeiten dort gerade an. Männer mit gelben Sturzhelmen und grünen Gummistiefeln kletterten auf ihre Maschinen. In der Kälte hing ihr gefrorener Atem in weißen Wölkchen vor ihren Mündern. Der Motor eines orangefarbenen LKWs röhrte auf, blieb still, röhrte nochmals und sprang mit einem explosionsartigen Geräusch an. Dann hustete er wieder, bis er in ein ungleichmäßiges Tuckern fiel.
    Der Fahrer trat ein paarmal aufs Gaspedal, und der Auspuff ballerte los wie ein Maschinengewehr.
    »Von hier oben sehen sie aus wie kleine Jungen, die mit ihren Lastern im Sandkasten spielen«, sagte sie.
    Draußen vor der Stadt war der Verkehr nicht mehr so dicht. Sie hatte die zweihundert Dollar ohne Verlegenheit und ohne Zögern genommen - aber sie war dabei auch nicht besonders eifrig gewesen. Sie hatte eine Naht ihres Armeemantels aufgetrennt, die beiden Geldscheine

Weitere Kostenlose Bücher