Sprengstoff
ein Loch in den Untersatz, ohne daß er das eigentlich wollte. Er konnte ihr das, was ihn gerade am meisten beschäftigte, nicht sagen: wie sehr sie sich verändert hatte, wie gepflegt und - gefährlich sie auf einmal auf ihn wirkte, wie eine Sekretärin auf Männersuche, die extra spät zum Lunch gekommen war und von keinem Mann einen Drink akzeptieren würde, der nicht mindestens einen Vierhundert-Dollar-Anzug trug, was sie sofort am Schnitt erkennen konnte.
»Was wirst du jetzt tun, Bart?«
»Ich werde zu einem Psychiater gehen, wenn du willst«, antwortete er leise.
»Wann?«
»Bald.«
»Du kannst dir noch heute nachmittag einen Termin geben lassen, wenn du willst.«
»Ich kenne keinen Seelenklemp-ich kenne keinen.«
»Schau auf den Gelben Seiten nach.«
»Das scheint mir eine reichlich blöde Art zu sein, sich einen Seelenklempner zu suchen.«
Sie sah ihn nur an und blickte dann peinlich berührt zur Seite.
»Du bist böse auf mich, nicht wahr?« fragte sie.
»Na ja, ich habe zur Zeit keine Arbeit. Fünfzig Dollar pro Stunde sind für einen arbeitslosen Angestellten viel Geld.«
»Was glaubst du eigentlich, wovon ich jetzt lebe?« fragte sie wütend. »Von der Wohltätigkeit meiner Eltern. Und die leben, wie du weißt, von ihrer Rente.«
»Soweit ich informiert bin, besitzt dein Vater genug Vermögen in Wertpapieren, um euch alle drei noch bis ins nächste Jahrhundert hinein gut zu versorgen.«
»Bart, das stimmt nicht.« Sie klang schockiert und beleidigt.
»Ach Quatsch, das stimmt nicht. Sie sind letztes Jahr im Winter nach Jamaika gefahren und im Jahr davor nach Miami ins Hotel Fountainbleau, darunter ging gar nichts, und davor waren sie in Honolulu. Das schafft keiner bloß vom Altersgeld eines Ingenieurs. Also hör auf mit dem Verarmungs-wahn, Mary …«
»Bart, sei still! Du bist schon ganz grün vor Neid.«
»Ganz zu schweigen von ihren Cadillac Gran De Ville und ihrem Bonneville-Kombiwagen. Nicht schlecht. Mit welchem holen sie sich eigentlich ihre Lebensmittelmarken ab?«
»Sei still!« zischte sie ihn an. Ihre Lippen waren leicht zu-rückgezogen und gaben ihre kleinen, weißen Zähne preis, mit den Händen umklammerte sie die Tischkante.
»’tschuldigung«, flüsterte er.
»Da kommt das Essen.«
Ihre aufgebrachten Gemüter beruhigten sich etwas, während der Kellner ihnen die beiden Andyburger vorsetzte und das Gemüse, bestehend aus kleinen Erbsen und Silberzwiebeln, auf den Tisch stellte. Dann zog er sich diskret zurück.
Sie aßen eine Weile schweigend und konzentrierten sich darauf, nichts von der Sauce auf ihr Kinn oder in den Schoß kieckern zu lassen. Ich frage mich, wie viele Ehen so ein Andyburger wohl schon gerettet hat, dachte er. Einfach durch die glückliche Fügung, daß man nicht weiterreden konnte, wenn man sich mit ihm beschäftigte.
Sie legte ihren halb verzehrten Andyburger auf den Teller zurück, wischte sich den Mund mit der Serviette ab und sagte: »Schmeckt immer noch so gut, wie ich es in Erinnerung habe. Bart, hast du überhaupt einen vernünftigen Vorschlag zu machen, was wir jetzt tun können?«
»Natürlich habe ich das«, antwortete er verletzt. Aber er hatte keine Ahnung, wie dieser Vorschlag aussehen sollte.
Wenn er sich noch einen Doppelten hätte bestellen können, wäre ihm vielleicht etwas eingefallen.
»Willst du die Scheidung?«
»Nein.« Es schien einfach notwendig, etwas Positives zu sagen.
»Willst du, daß ich zu dir zurückkomme?«
»Willst du das denn?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Soll ich dir mal was sagen, Bart? Ich mache mir Sorgen um mich. Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren habe ich Angst um mich selbst. Ich muß mich allein durchbringen.« Sie nahm den Andyburger in die Hand, um noch einen Bissen zu nehmen, legte ihn dann aber zurück. »Weißt du eigentlich, daß ich dich fast nicht geheiratet hätte? Ist dir dieser Gedanke eigentlich schon mal gekommen?«
Sein überraschtes Gesicht schien sie zu befriedigen.
»Das dachte ich mir doch. Ich war schwanger, also wollte ich dich natürlich heiraten. Aber irgend etwas in mir wollte es nicht. Es flüsterte mir immer wieder zu, daß das der größte Fehler in meinem Leben sein könnte. Ich habe drei Tage lang darüber nachgebrütet und mich jeden Morgen beim Aufwachen übergeben, und dafür habe ich dich gehaßt. Ich hab’ mir alle Möglichkeiten überlegt: abhauen, eine Abtreibung, das Baby bekommen und zur Adoption freigeben, das Baby bekommen und es allein
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