Spring in den Himmel
den Jungs auf dem Schulweg gehänselt worden war wegen ihres fremdländischen Aussehens. Da war er so etwas wie der große Bruder gewesen, den sie sich immer gewünscht hatte. Was war er jetzt?
Ein kurzes Röcheln, Herr Kamke wirkte auf einmal unruhig, Schweißtropfen standen auf seiner Oberlippe und seine Hände begannen zu zittern.
»Was ist los, Opa?«, fragte Alexander.
Herr Kamke murmelte etwas, aber das war nicht zu verstehen. Alexander suchte seinen Blick, doch der alte Mann wirkte wie weit, weit weg.
Alexander hielt seinen Großvater fest und redete ruhig mit ihm.
»Was hast du mittags gegessen, Opa?«
»Kein Hunger«, murmelte Herr Kamke.
»Aber du hast sicher gespritzt?«
»Muss ich doch.«
Alexander sah zu ihr. »Holst du bitte den Traubenzucker, der in der Küche liegt? Und ein Glas Wasser.«
Jamina nickte, lief los und kam schnell zurück. Wickelte den Zucker aus, reichte ihn Alexander. »Sollten wir nicht einen Arzt rufen?«
»Wenn es Unterzucker ist, was ich vermute, dann kriegen wir das schon hin.«
Alexander schob seinem Großvater den Zucker in den Mund. Sein Ton war bemüht heiter und entspannt.
»Soooo, und jetzt noch ein bisschen Wasser hinterher.«
Jamina reichte ihm das Glas und Alexander versuchte ganz vorsichtig, Herrn Kamke zum Trinken zu bewegen.
»Komm, Opa. Du weißt genau, dass nichts essen und dann Insulin spritzen nicht geht. Was hast du dir dabei gedacht?«
»Nichts.«
»Genau, und das kommt dann dabei raus.«
Allmählich erholte sich der alte Mann. Jamina hob seine Karten auf, die er fallen gelassen hatte.
»Nicht gucken«, sagte Herr Kamke. »Das Spiel ziehen wir noch durch. Ich gewinne nämlich.«
»Nein, du legst dich jetzt ein bisschen hin«, widersprach Alexander und gemeinsam brachten sie den alten Mann zum Sofa. Seufzend legte Herr Kamke sich hin. »Was man sich von den jungen Leuten alles bieten lassen muss …«
Von der Wohnzimmertür aus warf Jamina noch einen besorgten Blick auf Herrn Kamke.
»Wenn ich jetzt mit ihm allein gewesen wäre …«
»Das hättest du schon hingekriegt.«
»Deine Mutter hat mir mal gesagt, ich sollte ihm Orangensaft geben, wenn so was passiert.«
»Das hilft genauso.«
»Aber ich war erst mal total daneben!«
»Das kenn ich. Beim nächsten Mal weißt du schon, was zu tun ist.«
Jamina sah Alexander nachdenklich an. Wie gut, dass er da ist, dachte sie. Aber sie konnte es nicht sagen.
Sie gingen in die Küche.
»Und – wie läuft's bei dir?«
Die Frage klang wie nebenbei, aber Jamina sah an Alexanders aufmerksamen Blick, dass es ihn wirklich interessierte.
»Warum fragst du?«
»Weil du heute so …« Er suchte nach dem richtigen Wort. »Als würde dich was beschäftigen.«
Jetzt wäre die Gelegenheit, mit jemandem über Yoyo zu reden. Über ihr merkwürdiges Verhalten.
»Komm, red schon.«
»Es ist aber ein bisschen seltsam …«
»Dann interessiert es mich nur umso mehr.«
Alexander setzte sich zu ihr auf die Eckbank. Sein aufmunterndes Lächeln, sein interessierter Blick.
»Ich hab kürzlich in der U-Bahn ein Mädchen kennengelernt. Sie hat mich rausgehauen, als ich beim Schwarzfahren erwischt worden bin.«
Alexander sah sie überrascht an: »Du und Schwarzfahren?«
»War ein Versehen. Aber sie hat die Kontrolleure abgelenkt, mich an der Hand gepackt und ist mit mir abgehauen. Schneller als ich denken konnte.«
Alexander lachte: »Gib's zu, du hast jetzt noch ein schlechtes Gewissen.«
»So also schätzt du mich ein«, antwortete Jamina und fügte trotzig hinzu: »Nein, es fühlte sich richtig gut an.«
Sie nahm das Kreuzworträtsel-Lexikon, das auf dem Tisch lag. Einfach nur, damit sie was in der Hand hatte.
»Yoyo ist so anders … Ich glaube, du würdest sie nicht mögen. Sie sieht ein bisschen schrill aus.«
»Bunte Strähnen im Haar und schwarze Klamotten?«
Jamina sah Alexander überrascht an.
»Entschuldige, aber ich hab euch im Englischen Garten gesehen, am Eisstand.«
»Die Szene mit Federico? Wie peinlich!«
Sie lachten beide.
»Ich war mit ein paar Freunden unterwegs. Da höreich den Eisverkäufer schimpfen und bin stehen geblieben. Ihr hattet ja eine Menge Zuschauer.«
»Ich hätte mich am liebsten in Luft aufgelöst.«
»So hast du auch ausgesehen. Aber deine Freundin, die hatte echt Spaß an der Performance, oder?«
»Ja, provozieren ist ihr Hobby.«
»Ich hätte nie gedacht, dass du dich mit so jemand anfreundest.«
»Findest du sie doof?«
»Ich kenn sie doch gar nicht. Nur
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