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Spring in den Himmel

Spring in den Himmel

Titel: Spring in den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kinskofer
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aussteigen?
    »Ich will nicht.«
    »Vertrau mir.«
    Das dringende Bedürfnis, jetzt zur Toilette zu gehen.
    Die Angst, in die Hose zu machen.
    Der Gedanke an die Eltern und den kleinen Bruder.
    Worauf habe ich mich eingelassen?
    Warum tut sie mir das an?
    Aufsteigende Wut.
    Yoyo aber war in ihrem Element. »Wow, da hinten, schau mal, das ist doch …«
    »Ihr solltet euch jetzt konzentrieren«, mahnte einer der Männer, die sie nach oben begleiteten. »Du«, er wandte sich an Yoyo, »legst den einen Arm so um deine Freundin, und du bitte auch. Ganz nah.«
    Sie rückten noch näher zusammen, umschlangen sich.
    »Den anderen Arm nach oben und du gibst ihr die Hand, wie beim Tanzen.«
    »Hey, das ist mal ein Vergleich …«
    »Leg den Kopf an die Schulter deiner Freundin«, sagte der Mann zu Jamina und zeigte ihr, wie er sich das vorstellte.
    »Damit wir nicht mit den Birnen aneinanderrasseln?«
    »Sei jetzt einfach mal still, ja?« Der Mann wirkte ernst. Yoyo sagte nichts mehr.
    »Und du, leg die Wange an den Kopf deiner Freundin. Und bitte bleib so.«
    Jamina spürte so viel Nähe wie seit Langem nicht mehr. Wann hatte sie jemand so im Arm gehabt, wann hatte sie ihren Kopf an eine andere Schulter gebettet? Und das ausgerechnet jetzt, vor diesem Sprung ins Nichts, ins Bodenlose, ins Leere.
    Vertrau mir …
    »Nicht springen«, mahnte der Mann noch. »Einfach seitlich fallen lassen, ja?«
    Fallen lassen …
    »Drei – zwei – eins – Bungee!«
    Jamina konnte sich nicht fallen lassen, aber sie spürte, wie Yoyo sie mitzog in die Tiefe. Ein irre lauter Schrei an ihrem Ohr, Sekunden voller Angst und Panik, dann das Gefühl, dass das Seil den Sturz auffing, sie zurückzog in die Höhe, der Magen im Hals, Yoyos Lachen, ihr Arm um den Körper, ihre Wange am Kopf. Yoyos Schreie klangen nicht nach Angst, sondern nach Begeisterung und sie gingen allmählich in ein Lachen über.
    Wir sind zusammengebunden, zusammengeschweißt, dachte Jamina. Wir sind auf Gedeih und Verderb aneinander gefesselt, wir können nicht ohneeinander. Es war gerade so, als würden Yoyos Worte in dem Moment zu ihren Gedanken werden.
    Als alles vorbei war, zitterte Jamina immer noch. Yoyo nahm sie in die Arme. Und dann, ganz allmählich, stellte sich auch bei Jamina dieses großartige Gefühl ein, etwas Außergewöhnliches erlebt und überlebt zu haben.
    Ja, sie hatte etwas getan, was sie sich selbst nie zugetraut hätte. Was ihr auch niemand anderer zugetraut hätte. Außer Yoyo.
    Danke, dass du meine Freundin bist. Das hab ich noch nie mit jemand anderem erlebt, weißt du. Jetzt ist nichts mehr wie vorher. Wir sind stark geworden. Wir sindfüreinander da, weil wir dem Tod nahe waren. Na ja, jedenfalls hat es sich für einen Moment so angefühlt, oder? Wir wissen jetzt, dass wir alles überleben können. Und das gibt uns Kraft. Wenn wir fünfzig Meter fallen und dann noch da sind, was kann uns noch aufhalten?
    Alle Fragen, die sie zuvor hatte, waren jetzt aus Jaminas Kopf verschwunden. Sie fühlte sich wie neugeboren.

7. Kapitel
    Wenn wir fünfzig Meter fallen und dann noch da sind, was kann uns noch aufhalten?
    Die Worte Yoyos hatte sie immer noch im Ohr. Doch das ganz normale Leben bremste Jamina. Schule, Hausaufgaben, Kochen, Tischdecken. Beim Abendessen ging es um die Kollegin der Mutter, den Chef des Vaters und Rafiks Ärger mit der Lehrerin, weil er mehrfach behauptet hatte, das Sz habe zwei Brüste oder zwei Bäuche, er könne sich nicht entscheiden.
    In Gedanken stand Jamina noch auf der Plattform, intensiver Blickwechsel mit Yoyo, das gemeinsame Zählen, der Schrei Bungee und der Sprung in die Tiefe.
    Nachher hatten sie noch anderen beim Springen zugesehen. Jamina hätte ewig da stehen und schauen können. Waren sie wirklich so durch die Luft geflogen, Kopf nach unten, so nah zusammen? Wie angstvoll war das Fallen gewesen, wie großartig das Gefühl, dass man dann doch gehalten und aufgefangen wurde.
    »Ich muss heim«, sagte Jamina bedauernd, nachdem sie auf die Uhr gesehen hatte. »Zurück in mein mittelmäßiges Leben.«
    »Hey, red bloß nicht schlecht von deiner Familie. Das kann ich nicht leiden.«
    »Komisch, du sagst immer, Freiheit ist das Beste.«
    »Das ist doch nur Neid. Was hab ich denn davon, dass mein Dad ein reicher Banker ist? Okay, ich hab vielleicht mehr Kohle als du. Aber ob ich lebe oder tot bin, das ist dem doch total egal. Kein Schwein interessiert sich für mich.«
    »Doch. Ich.«
    Gemeinsam waren sie in die Stadt

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