Spring in den Himmel
von dem einen Auftritt …«
»Warum hast du nicht ›Hallo‹ gesagt? Beobachtest mich und gehst einfach!«
»Meine Kumpels wollten weiter.«
»Aber erst habt ihr euch die Show angesehen!«
Alexander grinste. »Und die war echt gut.«
6. Kapitel
Mehrere Tage waren seit dem gemeinsamen Nachmittag im Englischen Garten vergangen und fast stündlich wurden es mehr Fragen, die Jamina an Yoyo hatte.
Dann der Anruf am späten Abend:
»Morgen an unserem Platz im Englischen Garten.«
Kein Name, kein Hallo, keine Floskeln. Einfach die Ansage.
»Ich bin um zwei Uhr da.«
Yoyo legte auf, bevor Jamina etwas antworten konnte. Eigentlich hatte sie am Nachmittag noch Unterricht. Wie sollte sie das hinbekommen?
Die halbe Nacht grübelte sie darüber nach. Yoyo wüsste bestimmt eine Antwort. Die hatte sicher kein Problem, die Schule zu schwänzen.
Jamina holte sich einen Beurlaubungsschein für den Nachmittagsunterricht. Sie habe Kopfschmerzen, es ginge ihr schlecht. Das hatte sie noch nie gemacht. Umso größer war das Mitgefühl der Lehrerin, die den Wisch unterzeichnete. Jetzt müsste sie das abends noch den Eltern verklickern. Sie werden mir meine Lüge leicht glauben, dachte Jamina. Dass ich blaumache, das können sie sich gar nicht vorstellen.
Fünf Minuten später stand sie vor der Schule, beschämtdurch die guten Wünsche aller, denen sie ihre Lüge aufgetischt hatte.
Ehrlichkeit lohnt sich nicht, sagte ihre Mutter manchmal. Vielleicht hatte sie recht.
Es begann leicht zu nieseln, als sie am Odeonsplatz aus der U-Bahn stieg und sich auf den Weg zum Eisbach machte. Der Regen wurde stärker, die Leute spannten Schirme auf, zogen die Jacken und Mäntel fester um sich oder verschwanden in Gebäuden. Der Englische Garten war fast menschenleer. Jamina ging zu der Stelle, wo sie Yoyo getroffen hatte. Zwei Surfer kämpften mit dem Regen und der Welle. Aber Yoyo war nicht da.
Jamina sah auf die Uhr. Sie war pünktlich. Sie wartete zehn Minuten, zwanzig. Dann überlegte sie, ob Yoyo vielleicht einen anderen Treffpunkt gemeint haben könnte. Der Eisverkäufer? Sie ging hin. Er stand da mit seinem Wagen, aber niemand kaufte Eis.
Vielleicht hatte Yoyo sich untergestellt. Aber wo?
Jamina sah sich um. Nichts. Gar nichts.
Noch einmal ging sie zurück zu den Surfern. Mehr als eine halbe Stunde Zeit war schon vergangen.
Nichts. Niemand da.
Sie rief Yoyos Nummer an. Mailbox.
»Ich hab hier auf dich gewartet. Jetzt geh ich heim. Du kannst mich mal.«
»Warum bist du schon da?«, fragte ihre Mutter, die an diesem Nachmittag ausnahmsweise früher nach Hause gekommen war. Jamina stand vor ihr, vom Regen triefend.
»Ich hatte Kopfschmerzen und …«
»Nimm eine heiße Dusche und zieh dir was anderes an. Nicht dass du dich erkältest.«
Jamina nickte und strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht.
Ein kurzes Klopfen an ihrer Zimmertür, ihre Mutter guckte herein.
»Ich hab dir Tee gemacht«, sagte sie und stellte die Kanne samt Tasse und einigen Keksen ans Bett.
Der liebevolle Blick und die Sorge der Mutter waren ihr unangenehm.
Sie lag auf dem Bett nicht wegen der Kopfschmerzen, die sie ohnehin nie gehabt hatte, sondern weil sie nachdachte. Über Yoyo. Über ihre eigene Dummheit. Weil sie zu dieser Verabredung gegangen war. Weil sie dafür gelogen hatte. Weil sie fast eine Stunde gewartet und Yoyo gesucht hatte.
Okay, das würde ihr nicht wieder passieren. Nie wieder.
Am nächsten Tag stand Yoyo mittags vor der Schule. Sie lehnte an der Mauer gegenüber dem Schultor. Zwischen zwei Jungs, die wohl ihre Freundinnen abholten. Wieder diese dunkle Kleidung, wieder der Seesack. Sie rauchte, doch als sie Jamina sah, ließ sie die Zigarette fallen und trat sie aus.
Jamina stand da, unschlüssig. Was sollte sie jetzt tun? Am liebsten wäre sie abgehauen. Diese dumme Kuh stehen lassen. Was wollte die überhaupt von ihr? Machte einen auf beste Freundin und ließ sie dann hängen.
Einfach weggehen. Jamina redete in Gedanken mit sich selbst. Tu so, als wäre sie nicht da. Schau, da ist Jonas aus deiner Klasse. Rede mit ihm, als ob ihr euch unglaublich viel zu sagen hättet. Damit sie sieht, dass du Freunde hast. Dass du sie und ihr lässiges Getue durchschaut hast. Dass du sie nicht brauchst.
Doch bevor Jamina überhaupt etwas unternehmen konnte, war Yoyo schon bei ihr. Sie hatte einfach die Straße überquert, bremsende und hupende Autofahrer, schimpfende Radler, das alles war ihr egal. Sie klatschte ihren Seesack vor
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