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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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… und nun ist alles umsonst.«
    Traurig strich sie über ihr elegantes Kleid. Ein blassrosa Abendkleid im Empire-Stil, das unter der Brust mit einem blauen Band eingefasst war. Dazu trug sie zartrosa Schuhe, die ihren prinzessinnenhaften Eindruck noch verstärkten. Insgesamt erinnerte sie mich irgendwie an das arme Dornröschen.
    Â»Drei Stunden habe ich beim Friseur gesessen«, fuhr sie mit leidender Miene fort. »Extensions. Auch nicht gerade billig. Aber mein Exfreund wollte ja heute kommen. Und ich hänge doch noch so an ihm …«
    Ein paar Tränen kullerten ihr übers Gesicht.
    Â»Ich war mir sicher, dass das wieder was wird mit uns. Und dann habe ich die Bauchschmerzen schon nach dem ersten Schluck Sekt kaum noch ausgehalten … jetzt ist es wirklich richtig schlimm … was der sich wohl denkt, dass ich einfach so weg bin …«
    Â»Er wird das bestimmt verstehen. Legen Sie sich bitte hier hin«, forderte ich sie auf und half ihr auf die Behandlungsliege. »Ich werde sofort unsere Internistin holen.«
    Wenig später kam ich mit Dr. Alma A. zurück in den Behandlungsraum.
    Es gibt ja viele Leute, die in Sachen Mode nicht unbedingt Experten sind. Ich kann Ihnen versichern, dass es gerade in meiner Branche davon nur so wimmelt. Wer tagein, tagaus nur mit weißer Hose und weißem Kittel herumläuft, der hat in der Regel weder die Zeit noch den Sinn für Shopping und guten Stil. Und das gilt für Frauen genauso wie für Männer.
    Alma A. gehört zu den Ärztinnen, die vollkommen blind für die Welt der Mode sind. Und für die der Haute Couture erst recht.
    Sie begrüßte die Patientin und fragte noch einmal genau nach, wo Oksana W. die Schmerzen hatte.
    Â»Gut. Dann ziehen Sie doch bitte Ihr Nachthemd hoch, damit ich ihren Bauch abtasten kann, Frau W.«, sagte Alma A. freundlich.
    Einen Moment lang herrschte Totenstille. Während ich versuchte, mir ein Lachen zu verkneifen, verdunkelte sich Oksana W.s Miene deutlich.
    Â»Nachthemd? Das KLEID ist aus der neuen Vera-Wang-Kollektion! Wissen Sie, was das gekostet hat?«
    Die Stimme von Frau W. überschlug sich fast.
    Â»Oh, tut mir leid, nein. Dann ziehen Sie bitte Ihr …« Alma A. hielt kurz inne und überlegte. »Ist das ein Abendkleid?«, fragte sie dann erstaunt.
    Â»Allerdings! Ein DESIGNER kleid!«
    Â»Oh.«
    Â»Es ist wirklich wunderschön«, bemühte ich mich, die Situation zu retten.
    Dr. A sah mich an, als hätte ich gerade die Schönheit eines Hundehaufens gelobt. Dann fing sie sich.
    Â»Ja, ja. Sehr schön. So, jetzt aber hoch damit, ich muss Sie schleunigst untersuchen.«
    Zum Glück hatte Oksana W. nur eine Magenschleimhautreizung. Nachdem Dr. A. die Diagnose gestellt und eine Infusion verordnet hatte, konnte ich die weitere Behandlung übernehmen. Während ich die Infusion fertig machte, zog sich Dr. A. schleunigst zurück, um den Arztbrief schreiben.
    Oksana W. sah ihr mürrisch hinterher. So hatte sich die Gute ihren Abend wahrlich nicht vorgestellt – aber es sollte noch ein Happy End für sie geben, zumindest wurden die Weichen dafür gestellt. Denn als die Infusion gerade durchgelaufen war, kam ein junger Mann im Smoking in die Notaufnahme und erkundigte sich nach ihr. Er wartete so lange, bis er endlich zu ihr konnte und sie nach Hause fahren durfte.
    Wie die Geschichte der beiden ausgegangen ist, weiß ich leider nicht. Durch die missglückte Party sind sie sich auf jeden Fall nähergekommen – Designer-Drama hin oder her.
    ***
    Dieses Drama ist natürlich harmlos im Vergleich zu den Dingen, die wir Schwestern und Pfleger uns sonst ab und zu anhören müssen.
    Mal ehrlich, was wäre Ihrer Meinung nach die angemessene Reaktion, wenn man Ihnen das Leben rettet? Was würden Sie zu Ihrem Lebensretter sagen, wenn er Sie mit allergrößter Mühe in letzter Sekunde vorm Jenseits bewahrt hat? »Ich schneid dir gleich die T*** ab, du dreckige Sch***?« Nein? Tja, es gibt aber durchaus Menschen, die das passend finden.
    Martin D. zum Beispiel, ein Bilderbuchjunkie, der mit seinen 25 Jahren auf eine beeindruckende Drogenkarriere zurückblicken konnte. Mit neun Jahren die erste Zigarette, mit zehn das erste Kölsch. Mit zwölf Jahren rauchte er zum ersten Mal einen Joint, mit 14 probierte er dann Koks. Seit seinem 16. Lebensjahr lässt er das weiche Zeugs beiseite und konsumiert fast

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