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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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ausgekühlten Körper.
    Wenig später war der Mann wieder bei Bewusstsein. Es hatte funktioniert. Und das Schönste war, dass Rüdiger J. sich freute, noch unter den Lebenden zu sein.
    Â»Danke«, sagte er mit schwacher Stimme. »Danke, dass Sie alle mein Leben gerettet haben. Das vergesse ich Ihnen nie.«
    Â»Dafür sind wir doch da«, erwiderte ich mit einem Lächeln. »Warum haben Sie das denn bloß gemacht?«
    Rüdiger J. zuckte mit den Schultern.
    Â»Ich hab meinen Job verloren … und meine Freundin hat sich von mir getrennt … alles kam mir so sinnlos vor. Aber als ich in dem kalten Wasser war, als ich unterging und diese Strömung mich nicht mehr hochließ, da wollte ich nur noch raus, raus aus diesem eisigen Wasser!«
    Tränen liefen ihm über das Gesicht, und ich hatte den Eindruck, dass es Freudentränen waren.
    Â»Ich will noch nicht sterben«, sagte er kleinlaut und weinte leise.
    Ich drückte seine Hand und ließ ihn für einen Moment alleine, bevor unser Psychologe kam und sich um ihn kümmerte.
    Bis heute muss ich an Rüdiger J. denken, wenn ich in der Zeitung etwas über eine vollendete Selbsttötung lese. Und dann frage ich mich immer, ob es diesen Menschen wohl genauso wie Rüdiger J. gegangen ist. Ob sie im Moment des Todes eigentlich gar nicht sterben wollten.
    ***
    In einer Notaufnahme erlebt man beinahe täglich, wie leichtsinnig Menschen mit ihrem Leben umgehen. Damit meine ich natürlich nicht suizidgefährdete Personen wie Rüdiger J. Nein, manche Menschen muten ihrem Körper einfach aus reinem Spaß die unglaublichsten Belastungen zu.
    Oder aus Unwissenheit.
    Wolfram W. war ganz ruhig, als er zu uns gebracht wurde. Der 23-Jährige lag breit grinsend auf der Liege und reagierte auf keine Frage, die man ihm stellte. Sein Kopf war hochrot und seine Haut sehr heiß, als hätte er hohes Fieber.
    Â»Was ist mit ihm los?«, fragte ich Rettungssanitäter Frank, der ihn mit einem Kollegen in den Behandlungsraum schob.
    Â»Keine Ahnung«, antwortete Frank. »Die Polizei hat uns gerufen. Er lag auf einer Verkehrsinsel, und das wohl nicht erst seit fünf Minuten.«
    Â»Hat er da geschlafen?«
    Â»Nö. Die Polizei meinte, Passanten hätten ihn da schon vor zwei Stunden gesehen. In genau dem gleichen Zustand: grinsend, aber nicht ansprechbar.«
    Â»Drogen?«
    Â»Vermutlich. Aber wir haben nichts bei ihm gefunden.«
    Frank verabschiedete sich, und ich untersuchte den jungen Mann erst mal. Blutdruck, Puls, Atmung, alles schien einigermaßen normal. Allein der Puls ging etwas schneller, als er sollte, aber das war nicht bedrohlich.
    Â»Vielleicht Pilze?«, meinte Dr. Alma A., die sich die riesengroßen Pupillen von Wolfram W. anschaute. »Die Pupillen sehen jedenfalls ganz danach aus.«
    Â»Oder LSD .«
    Die Ärztin nickte. »Oder irgendwas Synthetisches, das kaum einer kennt.«
    Die neuen Drogen, die unter so harmlosen Bezeichnungen wie Badesalz oder Kräutermischung im Internet zu bestellen waren, stellten ein immer größeres Problem für uns dar. Keiner wusste genau, was in diesen synthetischen Mischungen drin war, und genauso wenig war bekannt, wie dieses Zeug genau wirkte und welche Schäden es hervorrufen konnte. Konnte man vor zwanzig Jahren den Zustand eines berauschten Patienten noch einigermaßen gut einschätzen, so war das Angebot an Rauschmitteln inzwischen derart groß und vielfältig, dass sich kaum noch jemand zurechtfand.
    In dem Moment meldete sich Wolfram W. zu Wort.
    Â»Aaaah … oooooh …«
    Â»Hallo? Verstehen Sie mich? Wissen Sie, wo Sie sind?«, fragte unsere Ärztin ihn, aber der junge Mann reagierte nicht auf ihre Fragen.
    Â»Uuuuuuh … aaaaah …«
    Sein Stöhnen klang, als würde er sich sehr wohlfühlen, und er grinste auch nach wie vor von einem Ohr zum anderen.
    Â»Wissen Sie noch, was Sie genommen haben? Welche Drogen?«, fragte ich ihn, doch er schien mich nicht zu hören. Langsam richtete er sich auf.
    Â»Sie sollten besser liegen bleiben«, sagte ich. Vergebens.
    Â»Ooooh … wow …«, war alles, was er mir zur Antwort gab.
    Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck, Panik schien sich in ihm breitzumachen. Er sprang auf, blieb kurz erschrocken stehen und hüpfte dann in großen Sprüngen durch den Raum.
    Â»Erdspalten! Erdspalten!«, schrie er dabei

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