Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme
selbst war vollkommen regungslos und zeigte keinerlei Reaktion mehr.
Zum Glück rief Peter sofort den Rettungsdienst. Als die Kollegen Jakob B. auffanden, reimten sie sich eins und eins zusammen und brachten ihn mit dem Verdacht auf »akute Alkoholvergiftung« direkt zu uns. Während der Fahrt drohte Jakob B.s Kreislauf mehrmals zu kollabieren, und als er zu uns in die Notaufnahme kam, war er in einem kritischen Zustand.
»Besonders gründliche Partyvorbereitung«, meinte Frank vom Rettungsdienst zynisch, als er mir den Patienten brachte.
Aufgrund der guten Resorptionsfähigkeit des Rektums war der Alkoholeinlauf lebensgefährlich. Denn die Leber, die bei normalem Alkoholkonsum bekanntlich eine wichtige Rolle spielt, indem sie den ganzen Alkohol vorfiltert, wurde mit dem Einlauf schön umgangen. Dadurch war eine massive Intoxikation entstanden.
Bei einer normalen Alkoholvergiftung machte ich ein paarmal die »Freiheitsstatue«, und damit hatte sich die Sache meistens schnell erledigt. »Freiheitsstatue« nennen wir eine Magenspülung, weil ich dabei mit einem Arm einen Trichter hochhalten muss, um Wasser in den Patienten zu füllen. Durch das Hochhalten des Trichters flieÃt die Flüssigkeit ein, durch Tiefhalten wird der Mageninhalt im Auffanggefäà gesammelt. Literweise müssen wir das Wasser so durch den Patienten spülen. Ist der Magen erst ordentlich durchgespült, sind die Patienten meistens relativ flott wieder nüchtern.
Aber eine Magenspülung war im Fall von Jakob B. natürlich sinnlos. Mehr als eine symptomatische Behandlung blieb uns nicht übrig: Flüssigkeitszufuhr, Ruhe und hoffen, dass das Gehirn keinen allzu groÃen Schaden davongetragen hat.
Kochsalzlösungen sollten Jakob B. helfen, den Alkoholgehalt in seinem Blut zu senken, und tatsächlich kam er nach über einer Stunde wieder zu Bewusstsein.
»Was ist passiert?«, fragte er mich schwach, und ich spielte einen Moment lang mit dem Gedanken, ihm eine ordentliche Standpauke zu halten. Aber dann sagte ich mir, dass die Wahrheit Strafe genug war. Oder wer will schon gerne hören, dass zwei wildfremde Rettungssanitäter einem in Anwesenheit von zehn oder mehr Wohnheimbewohnern einen Schlauch aus dem Hintern gezogen haben, woraufhin Rotwein und Kot durch das eigene Zimmer schossen, und man anschlieÃend unter dem hysterischen Gelächter der Kommilitonen in den Rettungswagen verfrachtet wurde?
»Nein â¦Â«, sagte Jakob B. totenbleich, als ich meinen Bericht abgeschlossen hatte. »Das ist ja grauenvoll.«
»Seien Sie froh, dass Sie noch leben«, sagte ich. »So was kann tödlich enden.«
Doch Jakob B. hörte mir gar nicht mehr zu. Er schüttelte nur verzweifelt seinen Kopf und heulte vor sich hin, dass er sich im Wohnheim nie wieder blicken lassen könne.
Und irgendetwas sagt mir, dass er mit dieser Einschätzung nicht ganz falschlag, jedenfalls bin ich mir sicher, dass er sich noch lange Zeit gemeine Sprüche anhören durfte.
Alles andere wäre ja auch irgendwie komisch.
***
Jakob B.s Partyvorbereitungen gingen im wahrsten Sinne des Wortes richtig in die Hose. Ganz so schlimm kam es für Oksana W. nicht, eigentlich liefen die Vorbereitungen für ihre Party sogar recht gut. Maniküre, Pediküre, Friseur â die junge Frau hatte das volle Programm durchlaufen und auÃerdem noch viel Geld für das passende Outfit ausgegeben.
Nach zwei Gläsern Sekt war die Party für sie jedoch dann leider schon zu Ende. Die hübsche junge Frau war extrem blass, als ich sie bei der Aufnahme ansprach.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte ich sie. Oksana W. strich ihre blondierten langen Haare zurück und hielt sich mit schmerzverzerrter Miene die Hand auf den Bauch.
»Ich habe grässliche Bauchschmerzen«, sagte sie.
»Können Sie mir genau zeigen wo?«
»Hier«, sagte sie und deutete auf ihren Oberbauch.
»Seit wann geht das so?«
»Schon den ganzen Tag. Aber seit heute Abend wird es immer schlimmer. Ausgerechnet heute, wo der Ball im Maritim stattfindet â¦Â«
Ich sah sie bedauernd an.
»Sie sehen toll aus«, versuchte ich, sie etwas aufzumuntern.
»Ich weië, antwortete Frau W. seufzend. »Ich habe wochenlang nach dem richtigen Kleid gesucht, bis ich diesen Traum gefunden habe. Knapp zweitausend habe ich dafür auf den Tisch gelegt ⦠meine halben Ersparnisse
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