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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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jugendlich gekleidet. Und ihr Parfüm … du meine Güte. Davon nahm sie nicht bloß etwas zu viel.
    Nur mit Mühe konnte Frau B. davon überzeugt werden, dass sie sich vor der Operation abschminken musste (»Sie schneiden mir doch den Bauch auf! Warum darf ich da keinen Lippenstift tragen?«). Frau B. hatte sich extra künstliche Wimpern angeklebt und trug ihr sonstiges Make-up in verschwenderischen Mengen. Erst als man sie ausführlich über das Infektionsrisiko aufgeklärt hatte, begann sie damit, die Schminke zu entfernen. Wenn auch nur widerwillig. (»Was soll denn der Herr Doktor denken, wenn er mich so blass und ungeschminkt vor sich liegen hat?«)
    Nun hatte Frau B. ihre Operation also überstanden, und ich schob sie durch den Flur zum Aufwachraum.
    Unser gut aussehender Dr. Claas H., den Sie inzwischen ja schon ganz gut kennen, kam uns entgegen. Die von der Narkose benommene Frau B. hob ihren Kopf und grinste Dr. H. schief an.
    Â»Los, zeig mir dein Sixpack, Süßer!«, krächzte sie mit ihrer vom Beatmungsschlauch rauen Stimme. »Hoch mit dem Shirt, du Supermann!«
    Während mir vor Erstaunen beinahe die Kinnlade herunterfiel, strahlte Dr. H. übers ganze Gesicht. Offensichtlich fühlte er sich von dieser geistig umnachteten Anmache tatsächlich geschmeichelt, was ich erstaunlich fand, wo er sonst grundsätzlich zurückhaltend auf flirtende Patientinnen reagierte. Und er wurde häufig angeflirtet, so viel steht fest. Vielleicht lag es am Alter der Patientin oder an ihrem Zustand, jedenfalls freute er sich wie ein Schneekönig. Fast ein wenig verlegen antwortete er der alten Dame.
    Â»Ach … nein … das geht doch nicht … hihi …«
    Â»Na klar geht das, du Muskelmann!«, sagte Frau B. und versuchte, nach Dr. H.s Kittel zu greifen. Kichernd sprang der Doktor einen Schritt zurück.
    Ich kam mir vor wie in der Grundschule.
    Auch unser Urologe Dr. Uwe M., der inzwischen in den Flur gekommen war, musste angesichts dieser Szene grinsen.
    Â»Na, Herr Kollege?«, lachte Dr. M. und scherzte: »Ist hier Ringelpietz mit Anfassen?«
    Bevor Dr. H. irgendetwas sagen konnte, fuhr Frau B. hoch.
    Â»Du brauchst gar nicht so erwartungsvoll zu lachen«, giftete sie los. »Von deiner Wampe will ich nichts sehen, Dickerchen! Abmarsch! Ich will nur den schönen Doktor!«
    Dr. M.s Grinsen gefror ihm im Gesicht, während Dr. H. nur noch mehr kichern musste. Mit hochrotem Kopf schaute Dr. M. auf seinen tatsächlich nicht zu übersehenden Bauchansatz, was unserem gut aussehenden und durchtrainierten Dr. H. zu einem immer lauteren Kichern anstachelte, was wiederum Dr. M.s Laune noch mehr versaute. Dr. M., der für seinen überaus spritzigen Humor im ganzen Krankenhaus bekannt war, schien inzwischen ernsthaft beleidigt zu sein.
    Â»Was grinsen Sie so?«, fuhr er seinen Kollegen an, der nur eine abwehrende Handbewegung hinbekam.
    Â»Ich grinse gar nicht«, feixte er, was Dr. M. noch mehr auf die Palme brachte.
    Ich war gerade im Begriff, die Gemüter zu beruhigen und etwas Versöhnliches über die Verwirrtheit von Patienten nach der Vollnarkose vorzutragen, als Dr. M. auf einmal mich anblaffte.
    Â»Was trödeln Sie hier eigentlich so rum, Schwester Anna! Haben Sie nichts zu tun? Muss die Patientin nicht in den Aufwachraum?«
    Â»Ã„h … ich … doch!«
    Â»Dann mal los, verdammt noch mal!«
    Er schnaufte wütend und trabte dann davon.
    War das wirklich mein humorvoller Urologe, der normalerweise durch nichts zu erschüttern war und immer einen lustigen Spruch auf den Lippen hatte? War dieser Mann nun tatsächlich in seiner Eitelkeit gekränkt worden?
    Claas H. bekam das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht, während ich einfach nur baff war. Wieso bekam ich hier eigentlich den Ärger ab? Was hatte ich denn mit den Bierbäuchen der Ärzte zu tun?
    Â»Los, zieh dich aus mein Schnuckel …«, murmelte Lisbeth B. in dem Moment und schloss wieder die Augen, um ein kleines Schläfchen zu halten.
    Claas H. gluckste.
    Â»Ein anderes Mal, gute Frau«, lachte er. »Aber vielleicht zieht sich ja Dr. M. für Sie aus!«
    Â»Um Himmels willen …«, nuschelte Frau B. noch und schlief ein.
    Kichernd verschwand Dr. H., und ich blieb für einen Moment sprachlos zurück.
    Eitelkeiten sind kurios. Wenn die wirren Worte einer restnarkotisierten Patientin solche Reaktionen

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