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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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ist es frisch desinfiziert! Wenn man nicht weiß, wofür es mal im Einsatz war, kann man es doch noch gut gebrauchen!«
    Kopfschüttelnd ging ich weiter und warf meinen Milchkaffee an der nächsten Ecke in den Mülleimer. Die Vorstellung, womit die Milch womöglich aufgeschäumt worden war, nahm mir jeglichen Appetit.
    ***
    Hygiene hat viele Gesichter. Und gerade in der Notaufnahme werden wir Mitarbeiter manchmal wie aus dem Nichts mit spannenden diesbezüglichen Situationen konfrontiert. Wenn man so eng mit Menschen arbeitet, gerade mit kranken Menschen, dann kann sich einfach alles innerhalb von wenigen Sekunden ändern. Aus einer vormals hygienisch sterilen Wand kann etwa ratzfatz das genaue Gegenteil werden.
    Das passierte beispielsweise an dem Tag, als Wolfgang J. zu uns gebracht wurde. Der 52-jährige Mann saß in einem Spezialrollstuhl für adipöse Patienten und war so dick, dass er selbst in solch einem Rollstuhl eingepfercht wirkte. Er hatte starke Rückenbeschwerden, was angesichts seines Gewichts wenig verwunderlich war.
    Â»Ich muss mir irgendwas eingeklemmt haben«, stöhnte er. »Mir war die Fernbedienung runtergefallen, und als ich mich vom Sofa runterbeugen und sie aufheben wollte, hat es irgendwie ›knack‹ gemacht. Vielleicht können Sie das kurz einrenken?«
    So einfach würde es bestimmt nicht werden, das sah ich auf den ersten Blick. Kein Chiropraktiker wäre in der Lage, bei dieser Körperfülle überhaupt eine zuverlässige Diagnose zu stellen. Immerhin brachte Wolfgang J. fast 200 Kilo auf die Waage.
    Unter enormen Anstrengungen legte er sich mithilfe von zwei Pflegern auf eine Liege – und verspürte sofort Erleichterung.
    Â»Im Liegen ist es deutlich besser«, sagte er.
    Â»Ja, Ihre Wirbelsäule wird so weniger belastet als im Sitzen«, erklärte ich ihm. »Vielleicht haben Sie sich auch gar nichts ausgerenkt. Vielleicht haben Sie sich bei einer falschen Bewegung einfach etwas gezerrt. Der Arzt wird gleich hier sein und sich das mal anschauen.«
    Wolfgang J. nickte. Doch dann verzog er peinlich berührt das Gesicht.
    Â»Schwester, ich glaube, ich muss mal. Und zwar so richtig.«
    Â»Keine Sorge, wir helfen Ihnen zur Toilette«, beruhigte ich ihn.
    Das erwies sich als ausgesprochen schwierig. Unsere beiden Pfleger waren zwar zwei junge sportliche Männer, aber sie hatten deutliche Probleme, den übergewichtigen Herrn J. hochzuhieven. Denn der konnte überhaupt nicht mithelfen, sondern lag einfach nur schlapp und schwer da. Mal eben 200 Kilo hochziehen, nein, das konnten selbst meine starken Pfleger nicht schaffen. Schon gar nicht, wenn die Zeit eilte.
    Â»Ich muss jetzt ganz dringend!«, jammerte Wolfgang J. »Ich halte es kaum noch aus!«
    Der Mann geriet langsam aber sicher in Panik. Er war knallrot im Gesicht und hatte Schweißperlen auf der Stirn.
    Â»Bitte, Schwester, tun Sie doch was! Ich will mir nicht in die Hose machen!«
    Â»Bettpfanne«, stieß ich hervor und eilte zum Schrank.
    Nun galt es, die 200 Kilo Lebendgewicht auf die Bettpfanne zu bekommen, was ebenfalls eine Herausforderung war. Zu dritt rollten wir ihn mit gemeinsamen Kräften auf die Pfanne und schafften es förmlich in letzter Sekunde.
    Â»Das dauert jetzt ein bisschen, bis ich ganz fertig bin«, sagte Wolfgang J. erleichtert.
    Â»Kein Problem. Machen Sie ganz in Ruhe. Rufen Sie uns einfach, wenn Sie fertig sind«, sagte ich und verließ zusammen mit den Pflegern den Raum.
    Während wir draußen warteten, überlegten wir, wie die weiteren Untersuchungen wohl aussehen könnten. Ins CT würde der Mann nicht passen, aber röntgen müsste möglich sein, wenn der Arzt es für nötig halten sollte. Aber würde die Liege im Röntgenraum sein Gewicht aushalten? Und würden wir ihn sonst im Sitzen röntgen können?
    Doch bevor wir uns um diese Fragen kümmern konnten, galt es, ein ganz anderes Problem zu beseitigen.
    Â»Fertig!«, rief Wolfgang J. von innen.
    Gemeinsam mit den beiden Pflegern betrat ich wieder den Raum.
    Â»Okay, dann wollen wir mal«, sagte ich, und wir versuchten, Wolfgang J. wieder gemeinsam von der Bettpfanne zu rollen.
    Und dann passierte das Unglaubliche.
    Zwar schafften wir es, den Patienten zur Seite zu drehen, aber die Bettpfanne löste sich nicht von seinem Gesäß. Durch sein Gewicht hatte er so fest darauf gesessen, dass ein Vakuum

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