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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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ausschließen. Denn wenn die Frau zum Beispiel einen Darmverschluss hätte, dann würde ein Einlauf eher schaden als helfen.
    Ich rief also unsere Internistin Dr. Alma A. an und gab ihr die kurze Diagnose »adipös mit akutem Abdomen« durch, woraufhin sie mich erwartungsgemäß damit beauftragte, erst einmal Fieber und Blutdruck, Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung zu messen. Außerdem sollte ich ein EKG machen, da Schmerzen im Oberbauch häufig ein erstes Anzeichen für einen Herzinfarkt sind. Besonders bei Frauen.
    Dann mussten noch die Entzündungsparameter abgenommen werden, und zudem wurden Leber- und Bauchspeicheldrüsenwerte gecheckt sowie die Herzenzyme. Die üblichen Untersuchungsabläufe also, die in solch einem Fall notwendig waren und die ich auf telefonische Anordnung des Arztes machen konnte.
    Angela D. lag vor mir auf der Liege und jammerte vor Schmerzen, während ich ihren Blutdruck maß. Plötzlich stöhnte sie laut auf.
    Â»Sch***, ich glaube, jetzt kann ich …«, gab sie von sich und versuchte, sich so schnell wie möglich von der Liege aufzurappeln. »Oh Mann, ja, puh, jetzt muss ich aber echt dringend – wo ist das Klo?«
    Schweißperlen standen der Frau auf der Stirn. Es eilte nun wirklich sehr. Ich nahm eine Bettpfanne und drückte sie ihr in die Hand.
    Â»Zweite Tür links«, sagte ich. »Benutzen Sie bitte die Bettpfanne, dann können wir gleich eine Stuhlprobe nehmen. Entleeren Sie sich erst mal in aller Ruhe. Vielleicht sind die Beschwerden dann schon aus der Welt.«
    Angela D. nickte nur flüchtig und eilte Richtung Toilette.
    Einen Moment lang herrschte Stille.
    Wer schon mal mit einem schwer verstopften Patienten zu tun hatte, der nach einem Einlauf oder mithilfe von Medikamenten oder eben einfach so endlich zur Toilette konnte, der weiß, wie sehr diese Patienten oftmals leiden. Der Stuhl ist dann in der Regel so hart, dass er nur unter großen Schmerzen ausgeschieden werden kann, teilweise reißt er dabei sogar die Schließmuskelschleimhaut ein, und es kommt zu Blutungen. Das Ganze wird von heftigen, krampfartigen Schmerzen begleitet, die einen unwissenden Patienten durchaus in Panik versetzen können.
    Aber die Geräusche, die jetzt aus dem Waschraum herausdrangen, waren deutlich beunruhigender. Zuerst hatten sie mich an eine dieser US -Komödien erinnert, in denen groteske Durchfallszenen für Lacher sorgen. Aber so richtig lustig hörte sich das mittlerweile nicht mehr an.
    Â»Hilfe, Schwester! Da kommt was raus!«, schrie Angela D. panisch.
    Â»Na, das will ich doch hoffen«, dachte ich, im Glauben, Frau D. spräche über ihren Stuhl.
    Â»Brauchen Sie Hilfe?«, fragte ich in den Waschraum hinein.
    Â»Ja, ja! Schnell, schnell!«, schrie sie aus Leibeskräften.
    Also schnappte ich mir ein Darmrohr, um der armen Frau zu helfen. Mit solch einem Rohr können Blähungen abgelassen oder Einläufe eingelassen werden, was die Darmentleerung wesentlich vereinfacht.
    Ich versuchte, Angela D. von der Toilette hochzuhelfen, was angesichts ihrer Schmerzen und der daraus resultierenden Panik nicht einfach war. Von ihrem Gewicht ganz zu schweigen.
    Â»Versuchen Sie, aufzustehen und sich nach vorne zu beugen, dann kann ich Ihnen helfen.«
    Mühsam schaffte sie es. Als ich gerade das Darmrohr ansetzen wollte, sah ich plötzlich ein Köpfchen zwischen Angela D.s Beinen hervorschauen.
    Â»Sie kriegen ein Kind!«, rief ich laut und war völlig überrascht.
    Offensichtlich aber nicht so sehr wie Angela D.
    Â»Quatsch! Das ist völlig unmöglich!«, schrie sie und klammerte sich am Waschbecken fest.
    Sie war mitten in den Presswehen, ein Prozess, der nicht mehr aufzuhalten war. Angela D. schrie noch einmal laut auf, ich hielt reflexartig die Bettpfanne zwischen ihre Beine und fing das Baby im letzten Moment auf, bevor es auf den Boden knallte.
    Es war ein kleines Mädchen, acht Wochen zu früh und in einem kritischen Zustand. Es wimmerte leise, aber es lebte.
    Da das Kind noch nicht abgenabelt war, setzte ich Angela D. in einen Rollstuhl und legte ihr das Neugeborene in ein Handtuch gewickelt auf den Schoß. Im Affenzahn schob ich die beiden durch den Flur rauf zum Kreißsaal zu den rettenden Hebammen.
    Â»Das kann nicht sein, das kann einfach nicht sein!«, rief Angela D. dabei immer wieder entsetzt.
    Sie hatte von der Schwangerschaft nichts bemerkt.

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