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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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Sie behauptete, die ganzen letzten Monate regelmäßig ihre Periode bekommen zu haben, was medizinisch durchaus möglich war – wenngleich sehr selten.
    Â»Ich verstehe das nicht«, wimmerte sie. »Ich hätte doch etwas merken müssen! Warum hatte ich denn keinen Babybauch? Ich hätte doch irgendetwas sehen müssen!«
    Es lag mir auf der Zunge, ihr mitzuteilen, dass sie nach wie vor einen Bauch hatte, der an eine hochschwangere Frau erinnerte, und dass sie mit ihren 163 Kilo vermutlich immer einen Bauch haben würde, in dem sich locker zwei bis drei Babys verstecken könnten, ohne dass es irgendjemandem auffallen würde.
    Doch ich entschied mich dagegen. Die Frau war derart geschockt und fassungslos, dass mir eine Gewichtsdiskussion an dieser Stelle äußerst unpassend erschien.
    Während ihr Kind auf die Intensivstation kam und dort die nächste Zeit im Brutkasten verbringen musste, wurde Angela D. auf die Entbindungsstation verlegt.
    Als sie auf ihrer Liege durch den Gang geschoben wurde, in dem zahlreiche Frauen ihre neugeborenen Kinder vor sich herschoben, huschte ein kurzes Lächeln über ihr Gesicht. Dann schüttelte Angela D. wieder ungläubig den Kopf und verschwand in ihrem Zimmer.
    Ihrem Baby ging es zum Glück bald besser, und irgendwann erspähte ich die beiden in inniger Vertrautheit bei einem kleinen Morgenspaziergang.
    Ich war schwer erleichtert. Das ist alles gerade noch mal gut gegangen.
    ***
    Was Angela D. an Alarmglocken beharrlich ignorierte, hörte Silke P. dafür umso lauter bimmeln.
    Leichenblass wurde sie von Frank zu uns in die Notaufnahme gebracht. Hektisch atmete sie ein und aus und griff sich dabei immer wieder mit schmerzverzerrter Miene an die Brust.
    Â»Verdacht auf Herzinfarkt«, sagte mein Lieblingssanitäter bei der Übergabe, und somit rief ich sofort unsere Internistin Dr. Alma A.
    Denn auch wenn Silke P. nicht wie eine klassische Infarktpatientin aussah – sie war schlank, hatte eine sportliche Statur und war höchstens dreißig Jahre alt –, war der Verdacht auf einen Herzinfarkt so ernst, dass jede Sekunde zählte. Denn entscheidend bei der Therapie eines Infarkts ist die erste Stunde nach Auftreten der Beschwerden, die sogenannte »goldene Stunde«. In dieser Stunde kann der Sauerstoffmangel am ehesten wieder ausgeglichen werden. Je früher die Behandlung also einsetzt, desto höher die Überlebenschancen des Betroffenen.
    Â»Sie müssen mich mit erhöhtem Oberkörper lagern«, befahl Silke P. stöhnend, die mit erhöhtem Oberkörper vor mir auf der Trage lag. »Und geben Sie mir doch schon mal Acetylsalicylsäure, bis die Ärztin da ist«, fügte sie noch hinzu.
    Wie gesagt, in Zeiten von netdoktor.de und alles-ueber-die-gesundheit.com ist es nicht selten, dass Patienten mit einer kompletten Diagnose samt Therapievorschlägen zu uns kommen. Wer denkt, dass er sich selbst oder dem medizinischen Personal damit einen Gefallen tut, der irrt. Und zwar gewaltig. In der Regel verunsichern die diversen Internetdiagnosen den Patienten nur, und die Ärzte werden durch die Besserwisserei langsam aber sicher in den Wahnsinn getrieben.
    Aber das nur am Rande.
    Schnell leiteten wir die Untersuchungen ein, die bei einem Herzinfarktverdacht anstehen. Als Erstes wird dabei immer ein EKG gemacht, um mögliche Herzrhythmusstörungen erkennen zu können.
    Als ich Silke P. gerade verkabelte, sagte sie:
    Â»Sie müssen mir noch Blut abnehmen.«
    Â»Das mache ich als Nächstes«, sagte ich ruhig.
    Â»Bei einem Infarkt sterben Herzmuskelzellen ab. Und die setzen bestimmte Eiweiße frei, die Sie im Blut nachweisen können.«
    Ich nickte freundlich.
    Â»Ja, ich weiß. Sind Sie Medizinerin?«
    Â»Nein! Aber ich habe einen Herzinfarkt, Herrgott noch mal!«, rief Silke P. außer sich.
    Â»Dann dürfen Sie sich auf keinen Fall aufregen«, versuchte ich, sie zu beruhigen und konnte mir in dem Moment schon nicht mehr vorstellen, dass diese Frau wirklich einen Infarkt erlitten hatte. Denn mir war in all den Jahren noch nie ein Infarktpatient untergekommen, der während des Infarkts eine Diskussion mit dem Krankenhauspersonal begonnen hatte. Solche Patienten haben eindeutig andere Sorgen.
    Silke P. atmete laut ein und aus und versuchte, ruhig zu bleiben.
    Â»Wann machen Sie eine Echokardiografie?«, stöhnte sie, und jetzt blieb mir doch langsam die

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