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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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angegriffen wäre. Das muss sich ein Kieferchirurg anschauen. Sie müssen auf die Station.«
    Â»Und was passiert dann mit mir?«, fragte Herr G. ängstlich.
    Â»Als Erstes bekommen Sie eine intravenöse Antibiose, ob Sie operiert werden müssen, muss dann der Kollege entscheiden.«
    Carsten G. nickte betrübt.
    Â»Das wird schon wieder«, fügte Alma A. noch tröstend hinzu und holte tief Luft.
    Â»Kann ich mein Gebiss wiederhaben?«, bat Carsten G., doch Dr. A. schüttelte energisch den Kopf.
    Â»Auf gar keinen Fall. Das Ding ist hochinfektiös.«
    Â»Aber wie soll ich denn dann heute Abend essen?«
    Dr. A. sah ihn erstaunt an.
    Â»Essen? Wie können Sie denn mit dem Kiefer kauen wollen? Das müssen doch höllische Schmerzen sein! Sie kriegen was Flüssiges zu essen, etwas, dass Sie nur schlucken müssen. Keine Sorge, wir lassen Sie hier nicht verhungern.«
    Kopfschüttelnd verließ Dr. A. den Raum – nicht ohne einen letzten Blick auf die Prothese zu werfen, die den Mund von Carsten G. sieben Jahre lang gehütet hatte, ohne jemals an die frische Luft zu gelangen. Ein Rekord, der in meiner gesamten beruflichen Laufbahn bisher nicht gebrochen wurde.

4
Der ahnungslose Patient – Undefinierbare Schmerzen und ihre vermeintlichen Ursachen
    I n Zeiten von diversen Netzdoktoren und anderen medizinischen Dienstleistern im World Wide Web ist es nicht weiter verwunderlich, wenn jeder zweite Patient mit einer Eigendiagnose zu uns kommt. Sie kennen das wahrscheinlich von sich selbst: Es zwickt und zwackt irgendwo am Körper, man schaut mal schnell im Internet nach, und schon weiß man, dass es die Galle, der Darm, die Bauchspeicheldrüse oder die Milz ist, die uns gerade zu schaffen macht.
    Falls Sie auch zu den Leuten gehören, die glauben, Google könnte ein Medizinstudium ersetzen, muss ich Sie leider enttäuschen. Es hat nämlich durchaus seine Gründe, warum eine medizinische Ausbildung über mehrere Jahre geht und an praxisbezogeneren Orten als dem Internet stattfindet.
    Verstehen Sie mich nicht falsch, man kann im Netz bestimmt tolle Tipps finden, wie sich ein Sonnenbrand oder ein Hämatom am besten kühlen lassen, aber bei ernsteren Angelegenheiten sollten Sie sich besser nicht auf das medizinische Können diverser Suchmaschinen verlassen. Der menschliche Körper ist einfach zu komplex, als dass Ferndiagnosen so leicht funktionieren würden.
    Anstelle einer ausführlichen Internetdiagnose hören wir von anderen Patienten auch häufig den Satz: »Davon hab ich in der Zeitung gelesen« oder »Eine Freundin von mir hatte auch schon mal solche Probleme« – was alles ähnlich aussagekräftig ist wie eine Netzdiagnose. Das starke Ziehen in der Brust kann bei dem einen das erste Anzeichen für einen schweren Herzinfarkt sein, bei dem anderen jedoch der zyklisch bedingten Hormonproduktion geschuldet sein. Deshalb können solche selbst gestellten Diagnosen für eine Menge Aufregung sorgen.
    Umgekehrt ist es allerdings manchmal erschreckend, wie wenig manche Patienten auf ihre ureigenen Alarmglocken hören, auch wenn sie noch so laut in ihrem Körper bimmeln. Wie im Fall von Angela D. …
    Angela D. war eine schwergewichtige Frau. Stolze 163 Kilo brachte die 36-Jährige auf die Waage und war damit bei einer Größe von nur 1,69 Metern stark adipös.
    Wer solch ein Übergewicht mit sich herumschleppt, hat naturgemäß mit allerhand gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Angela D., die mit starken Bauchschmerzen zu uns in die Notaufnahme kam, war da keine Ausnahme.
    Â»Ich befürchte, ich bin total verstopft«, ächzte sie.
    Â»Wann hatten Sie denn das letzte Mal Stuhlgang?«, fragte ich, und sie erklärte mir, dass es schon Tage zurückliegen würde.
    Â»Bestimmt fünf oder sechs«, meinte sie stöhnend.
    Verstopfung ist bei übergewichtigen Patienten keine Seltenheit. Bei einem krankhaften Essverhalten, unter dem Frau D. ganz eindeutig litt, stopfen sich die Betroffenen schon mal drei große Tafeln Schokolade rein, um dann noch ein paar Nutella-Brote und etwas Kuchen hinterherzuschieben. Kommt dann noch chronischer Bewegungsmangel hinzu, wie das bei adipösen Patienten meist der Fall ist, kann die Verdauung schon mal träge werden.
    Aber bevor ich ihr mit einem Einlauf Erleichterung verschaffen konnte, mussten wir erst alle anderen Erkrankungen

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