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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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borrelioseverseuchten Gebieten. Sie können ganz unbesorgt …«
    In dem Moment lief eine hysterische Frau aufgebracht in die Notaufnahme.
    Â»Ein Arzt! Ich brauche einen Arzt! Schnell!«, rief sie.
    Ich eilte sofort zu ihr, da sie einen wirklich besorgniserregenden Eindruck machte. Sie war leichenblass und kämpfte mit den Tränen.
    Â»Was ist passiert?«, fragte ich, nachdem ich sie vorsichtig zu einer Liege gebracht hatte.
    Â»Eine Zecke! Ich bin von einer Zecke gebissen worden!«
    Ein Raunen ging durch den Raum, und der Mann, der mich vorher angesprochen hatte, warf mir einen triumphierenden Blick zu, als wollte er sagen: »Da sehen Sie’s! Das Grauen hat zugeschlagen.«
    Völlig aufgelöst hielt mir die Frau ihren Arm hin.
    Â»Sehen Sie? Hier! Oh Gott, oh Gott!«
    Tatsächlich war eine kleine Zecke in ihrer Armbeuge zu sehen.
    Â»Warum haben Sie die nicht rausgezogen?«, fragte ich, während ich eine Pinzette suchte.
    Â»Um Himmels willen! Das ist doch lebensgefährlich! Außerdem brauche ich eine Impfung! So schnell es geht! Hoffentlich ist es noch nicht zu spät …«
    Â»Dafür sind wir in einer Notaufnahme nicht zuständig«, gab ich höflich zu bedenken. »Wir haben gar keinen Borreliose-Impfstoff im Haus. Ich entferne Ihnen jetzt die Zecke. Auch wenn Sie so etwas eigentlich selbst machen können, ansonsten ist Ihr Hausarzt dafür zuständig.«
    Die Frau schaute mich an, als wollte ich ihr eine lebensrettende Behandlung verweigern.
    Â»Das ist ein absoluter Notfall! Mit Zeckenbissen ist nicht zu scherzen! Lesen Sie keine Zeitung?«
    Â»Doch. Nur offensichtlich eine andere als Sie«, wollte ich sagen, konnte es mir aber gerade noch verkneifen.
    Wenige Sekunden später hatte ich die Zecke aus dem Arm der Frau entfernt. Ich klebte ein Pflaster auf die stecknadelkopfgroße Wunde und wollte sie nach Hause schicken.
    Â»Ich gehe nicht, bevor ich nicht gegen Borreliose geimpft worden bin«, sagte die Frau trotzig. »Ich bestehe darauf.«
    Â»Zum einen ist das wirklich vollkommen überflüssig, zum anderen haben wir hier im Krankenhaus keine Borreliose-Impfung vorrätig«, wiederholte ich. »Die müssen Sie bei Ihrem Hausarzt bestellen.«
    Â»Dann geben Sie mir wenigstens eine Tetanus-Impfung!«, zeterte sie weiter.
    Und nach dieser mindestens halbstündigen Diskussion verpasste ich ihr schließlich stocksauer eine Tetanus-Impfung. Vermutlich wäre die Frau sonst handgreiflich geworden, und es gab sicher Patienten, die meine Hilfe gerade nötiger hatten.
    Dummerweise ging sie frisch geimpft durch die Reihen der Wartenden und erzählte jedem, dass sie dank der Impfung dem Tod gerade noch von der Schippe gesprungen sei.
    Dadurch wurde es natürlich umso schwieriger, den anderen Leuten verständlich zu machen, dass sie 1. keine Impfung brauchten und 2. die Notaufnahme der falsche Ort war, um sich eine solche Impfung zu holen.
    Â»Wir haben keinen Borreliose-Impfstoff im Haus!«, sagte ich laut. »Bitte wenden Sie sich an Ihren Hausarzt!«
    Am Ende musste ich fast pampig werden, um die überängstlichen Herrschaften nach draußen zu befördern.
    So viel zum Thema Panikmache in der Zeitung.
    Normalerweise haben wir höchsten sechzig Zeckenbisse in der Notaufnahme – pro Jahr! In erster Linie sind das Fälle, bei denen sich die Tiere in unerreichbaren Regionen des menschlichen Körpers versteckt haben, sprich: Die Zecke sitzt im Schambereich, im Gehörgang, am Rücken. In solchen Fällen darf man ruhig ins Krankenhaus gehen. Ebenso, wenn sich ein roter Kreis um den Zeckenbiss bildet.
    Nachdem besagter Artikel in der Zeitung erschienen war, kamen am nächsten Tag jedoch 74 Patienten zu uns, die glaubten, von einer Zecke gebissen worden zu sein, oder die sich einfach nur prophylaktisch impfen lassen wollten.
    Danke, liebe Presse, für diese sicher auflagenstarke Panikmache im Frühjahr – die sich im Herbst übrigens regelmäßig wiederholt. Denn dann heißt es jedes Jahr wieder:
    Â»Die Todesgrippe kommt!« – und unzählige hysterische Patienten stürmen die Notaufnahme und verlangen nach einer Impfung.
    ***
    Es sind aber nicht nur die Patienten, die sich durch die Medien »informieren« und dann etwas panisch reagieren, manchmal sind es auch die Ärzte, die die ein oder andere Information ein bisschen überinterpretieren.
    Ich mag

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