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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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dafürkonnten. Trotzdem checken wir Sie sicherheitshalber einmal durch.«
    Â»Ãœberflüssig!«
    Â»Geht ganz schnell. Phil?«
    Phil war unser neuer Zivi (ja, damals gab es die noch). Ein junger Kerl von gerade mal zwanzig Jahren mit langen Haaren und schwarzem Zottelbart.
    Â»Bitte einmal Blutdruck messen«, sagte ich zu ihm. Phil nickte nur und machte sich ans Werk.
    Dr. Alma A. checkte Frau M. anschließend durch und rief den Chirurgen für die Versorgung der Platzwunde hinzu.
    Â»Sie haben Glück gehabt«, sagte Dr. A. mit einem Blick auf die blutende Wunde. »Sieht nicht so schlimm aus. Aber wenn ich mir Ihre Augen so anschaue – sind Sie schon mal auf grauen Star untersucht worden?«
    Â»Wozu?«, antwortete Frau M. patzig. »Ich habe Adleraugen, ich sehe alles.«
    Â»Ihre Pupillen haben einen grauen Stich«, entgegnete Dr. A. »Das ist eigentlich ein eindeutiger Hinweis auf grauen Star. Und Sie sind doch auch bei Rot über die Ampel …«
    Â»Es war Grün!«
    Frau Doktor seufzte. Phil und ich standen seufzend daneben. Wenn die Dame ihre Augen nicht untersuchen lassen wollte, konnte man sie nicht dazu zwingen. Zu anderen Maßnahmen allerdings schon.
    Â»Sie werden Ihren Führerschein abgeben müssen«, sagte Dr. A.
    Â»Ach, lecken Sie mich doch!«, keifte die alte Dame gar nicht damenhaft. »Nichts muss ich! Ich habe keine Probleme mit meinen Augen, also lassen Sie mich jetzt in Ruhe! Junge Frau? Können Sie mir bitte meine Tasche geben?«
    Ich sah Frau M. ratlos an.
    Â»Tut mir leid, ich habe Ihre Tasche nicht.«
    Â»Das weiß ich selbst! Ich rede ja auch nicht mit Ihnen, sondern mit Schwester Phili. Können Sie mir also bitte meine Tasche bringen, Schwester?«
    Unser zottelbärtiger Zivi machte zunächst ein ungläubiges Gesicht. Dann prustete er los.
    Â»Was hat sie denn?«, fragte Frau M. ahnungslos.
    Ich warf Dr. A. einen bedeutungsvollen Blick zu, und sie nickte nur. Hier musste offensichtlich noch einiges an Überzeugungsarbeit geleistet werden.
    Nach langem Zureden ließ sich Frau M. schließlich dazu bewegen, einen Sehtest zu machen. Das Ergebnis war niederschmetternd, die Frau war fast blind. Es war nicht nur erstaunlich, dass sie noch Auto gefahren war, sondern dass sie ihr Auto überhaupt gefunden hatte.
    Selbstverständlich sah Frau M. das völlig anders.
    Â»Ach, gehen Sie mir doch weg mit Ihrem Quatsch!«, schimpfte sie. »Ich fahre jetzt nach Hause!«
    Daran konnte sie keiner hindern, zumal ihr Auto auf dem Schrottplatz war und sie notgedrungen mit dem Taxi fahren musste.
    Phil begleitete sie zum Wagen und sorgte dafür, dass sie sicher auf der Rückbank Platz nahm.
    Â»Danke, junge Frau«, sagte Frau M. zum Abschied. »Sie sind wirklich ein reizendes Mädchen.«
    Und mit diesen Worten fuhr sie davon. Blieb nur zu hoffen, dass ihre Rente nicht für ein neues Auto reichte.
    ***
    Das Gegenstück zu Patientinnen wie Frau M., die ihr Leiden schlichtweg ignorieren, sind Ärzte, die es kaum abwarten können, endlich jemanden zu behandeln.
    Natürlich gibt es Nächte in der Notaufnahme, in denen wir keine fünf Minuten Ruhe haben. Silvester, Karneval und auch die Weihnachtstage gehören dazu. Aber es gibt eben auch Nächte, in denen kaum etwas passiert. Gerade in den Sommerferien kommt das schon mal vor, wenn halb Köln in Holland und Spanien am Strand liegt.
    In solchen Nächten sind die Bereitschaftszimmer für die Ärzte ein Segen. Mit ein bisschen Glück können sie dort durchaus drei bis vier Stunden am Stück schlafen. Es sei denn, sie heißen Olaf K. und sind schwerhörig und aufgeregt zugleich, weil sie zum ersten Mal in der Notaufnahme eingesetzt werden.
    Der junge Assistenzarzt war ein sehr engagierter Mann. Er war höchstens Anfang dreißig und trug seit seiner frühesten Kindheit ein Hörgerät im rechten Ohr. Im Kindergarten hatte ihm ein anderes Kind einen Bleistift durchs Trommelfell gestoßen, wodurch er auf diesem Ohr fast taub wurde. Dank modernster Technik merkte man ihm dieses kleine Handicap aber nicht an.
    Jedenfalls meistens nicht.
    Der traumatische Verlust seines rechten Gehörs war nicht spurlos an Olaf K. vorbeigegangen. Seitdem hatte er panische Angst, etwas zu verpassen.
    Â»Haben Sie mich angerufen?«, fragte er mich müde.
    Es war eine dieser Nächte, in denen praktisch nichts los war und ich

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