Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme
seufzte, als habe sie schon eine böse Ahnung. Und auch ich befürchtete das Schlimmste. Trotzdem hörte sie die Lunge des Mannes ab, bevor sie die niederschmetternde Diagnose aussprach.
»Sie haben einen Schnupfen.«
»Wie bitte?«
»Ihre Nasenschleimhäute sind aufgrund einer Erkältung geschwollen, Ihre Nase sitzt zu. So ist das bei Schnupfen. Ist das der erste Ihres Lebens?«
Dr. A. war ein wenig gereizt.
»Ãh ⦠also â¦Â«, stotterte der Mann. »Ich kann aber doch schon seit Tagen nicht schlafen!«
»Haben Sie ein Nasenspray benutzt?«, fragte Dr. A.
»Nein. Ich habe in einer Studie gelesen, dass man davon süchtig werden kann«, jammerte der Mann.
Alma A. verdrehte die Augen.
»Aber doch nicht, wenn man es bei einem starken Schnupfen anwendet! Meine Güte! Sie kommen nachts in die Notaufnahme, weil Ihre Nase zusitzt und machen sich Sorgen darüber, von einem Nasenspray abhängig zu werden?«
Jetzt war Dr. A. auf 180. Was ich gut verstehen konnte. Wütend ging sie an eine Schublade und nahm ein Nasenspray heraus.
»Das sprühen Sie sich jetzt in die Nase. AuÃerdem trinken Sie viel Wasser und legen sich ins Bett. Auf Wiedersehen.«
Erzürnt drehte sie sich um und ging.
»Na, die hat ja eine Laune«, sagte der Mann. Dann sah er meinen Gesichtsausdruck, packte hastig das Nasenspray ein und suchte das Weite.
***
Auch in der Notaufnahme eines Krankenhauses hat man so etwas wie Stammgäste. Dazu gehören natürlich einerseits die chronisch kranken Patienten, die aufgrund von Anfällen oder Ãhnlichem häufig zu uns gebracht werden müssen. Dann gibt es die Suchtpatienten, die wegen Ãberdosierungen oder Stürzen andauernd bei uns sind.
Und dann gibt es Patienten wie Irmi L.
Irmi L. kam regelmäÃig zu uns. Die 71-jährige Dame litt entweder unter einer psychischen Erkrankung oder unter krasser Einsamkeit. Keins von beidem würde sie sich aber jemals eingestehen. Sie selbst sah sich regelmäÃig in einem absolut lebensbedrohlichen Zustand.
Im Abstand von vielleicht zehn Tagen rief sie den Rettungsdienst, klagte über starke Atemnot und lieà sich ins Krankenhaus fahren. Stets erwartete sie die Rettungssanitäter mit einem gepackten Köfferchen in der Hand und war jedes Mal wie felsenfest davon überzeugt, dass sie für ein paar Tage im Krankenhaus verweilen durfte.
Am Anfang war dem natürlich so. Einer Atemnot muss schlieÃlich auf den Grund gegangen werden. Doch spätestens nach dem fünften Mal wussten wir, dass Irmi L. kerngesund war. Abgesehen von ihrer Psyche natürlich.
Trotzdem konnten wir die Frau nicht einfach abweisen. Es war ja durchaus möglich, dass sie irgendwann tatsächlich einmal etwas Ernsthaftes hatte, und das mussten wir selbstverständlich ausschlieÃen.
»Ich kriege keine Luft mehr!«, stöhnte sie auch an jenem Nachmittag, als sie wieder mal von Frank mit dem Rettungswagen zu uns gebracht wurde.
»Hallo, Frau L., dann setzen Sie sich mal«, sagte ich nur und setzte sie direkt neben eine Inhaliermaschine.
Die Erfahrung hatte gezeigt, dass man der guten Frau nur eine Verneblermaske zum Inhalieren aufsetzen musste und es ihr dann gleich viel besser ging.
»Ach Schwester, gut, gut â¦Â«, gab sie nur stöhnend von sich und setzte sich wie ein sterbender Schwan neben das Gerät.
»Zum Glück habe ich ja Maskulogie studiert«, sagte sie. »Da weià ich ja, wie das mit der Maske hier geht.«
Ich versuchte, möglichst ernst zu nicken.
»Gut, Frau L. Ich hole dann mal Ihre Medizin.«
Das A und O im Umgang mit einer Person wir Frau L. war es, ihr das Gefühl zu vermitteln, dass man sie ernst nahm. Die kerngesunde Frau bekam nur eine Kochsalzlösung zum Inhalieren, aber das reichte ihr.
Nach wenigen Minuten ging es ihr besser.
»Kann ich jetzt auf mein Zimmer?«, fragte sie dann, als wären wir an der Rezeption eines Ferienhotels.
Das ging natürlich nicht. So leid mir die vermutlich sehr einsame Frau auch tat, als Krankenschwester in der Notaufnahme habe ich nicht ansatzweise Zeit, mich um einsame, aber völlig gesunde Personen zu kümmern. Irgendwie musste ich also versuchen, sie wieder loszuwerden. Auch für diesen Fall hatte ich inzwischen eine erprobte Strategie.
»Ich muss Ihnen erst Blut abnehmen«, sagte ich.
Frau L.s Augen weiteten sich vor Entsetzen.
»Mit einer
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