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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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Blutverlust! Schnell! Wir brauchen sofort einen Arzt!«, rief Frank laut.
    Charlotte Z. drehte sich neugierig um. Dann machte sie große Augen.
    Â»Torben? Torben!«
    Der junge Mann auf der Liege drehte schwach den Kopf zur Seite und versuchte, Charlotte anzugrinsen. Mehr als eine schiefe Grimasse bekam er aber nicht hin. Bevor er etwas sagen konnte, wurde er schon in den Behandlungsraum geschoben.
    Wie sich später herausstellte, hatten Torben und seine Freunde nach Charlottes Hosenunfall noch lange nicht die Nase voll von Chinaböllern. Bald darauf waren die jungen Männer auf die verhängnisvolle Idee gekommen, in ihrem angetrunkenen Zustand eine Mutprobe zu machen: Wer hielt den brennenden Chinaböller am längsten in der Hand, bevor er ihn in die Luft warf?
    Nun, Torben hatte gewonnen. Der Böller war in seiner Hand explodiert und hatte ihm tragischerweise den rechten Zeigefinger abgerissen. Da der Finger durch die Explosion völlig zerstört worden war, konnten unsere Handchirurgen ihn leider nicht wieder annähen.
    Kopfschüttelnd verließ ich am Neujahrstag die Notaufnahme. Drei Patienten aus derselben Straße, die alle drei auch noch an schlimmen Brandverletzungen litten und deshalb nahezu zeitgleich bei mir in der Notaufnahme landeten – nein, das hatte ich bisher noch nicht erlebt.

6
Die liebe Familie – Albtraum Angehörige
    I n Köln gibt es überwiegend Singlehaushalte. So ist das heutzutage in den meisten Großstädten, was erstens an den zahlreichen Studenten liegt, zweitens an den nicht weniger zahlreichen alleinstehenden Senioren und drittens schlicht ein Phänomen unserer heutigen Zeit ist.
    Nichtsdestotrotz spielen die lieben Angehörigen gerade für uns Mitarbeiter in der Notaufnahme häufig eine wichtige Rolle. Viele Patienten werden von einem Familienmitglied zu uns gebracht – sei es nun aus Fürsorge, oder weil sie sie selbst verletzt haben. Beides kommt andauernd vor.
    Je nachdem, wie der kulturelle Hintergrund unserer Patienten ist, sind die Familienmitglieder dann mehr oder weniger involviert. Es gibt hektische Managertypen, die ihre kollabierte Frau nur schnell bei uns abliefern und dann zum nächsten Termin hetzen, und es gibt die türkische Großfamilienmama, die ihren Mann mit selbst gemachtem Essen versorgt und darauf besteht, ihn jeden Morgen persönlich zu waschen.
    Natürlich gibt es auch die Sorte Angehörige, die alles besser wissen und uns nicht zutrauen, dass wir uns anständig um ihre Liebsten kümmern. Ganz schlimm sind da Ärzte, die einen Angehörigen bei uns im Krankenhaus haben. Wenn das der Fall ist, bringe ich immer extra Zeit mit, wenn ich zum Patienten gehe. Sogenannte Diskutier-Zeit.
    Insgesamt kann ich sagen, dass die Familien meiner Patienten nicht selten eine Herausforderung für uns darstellen.
    So etwas wie im Fall von Cucu I. hatte ich allerdings nur einmal erlebt.
    Cucu I. war das Oberhaupt einer großen Roma-Sippe, die seit Jahrzehnten in Köln lebte. Ich wusste nicht, wie viele Mitglieder dieser Clan zählte, aber an diesem Tag wurde mir klar, dass es nicht wenige waren.
    Cucu I. hatte elf Kinder. Sein erstgeborener Sohn Ioan wurde wie ein Kronprinz behandelt – was er irgendwie ja auch tatsächlich war. Denn eines Tages würde er seinen Vater ablösen und den Clan anführen, so wollte es die Tradition.
    Aber zu diesem Zeitpunkt war Ioan erst zarte 17 Jahre alt und alles in allem ein ziemlich normaler Teenager, der nur ausgewählte Markenkleidung trug und ohne sein Skateboard nicht aus dem Haus ging. Und dieses Skateboard war es dann auch, das ihn in Begleitung seines Vaters zu uns in die Notaufnahme brachte.
    Seine Verletzung war nicht gravierend. Ioan hatte einen Bänderriss mit knöcherner Beteiligung im Sprunggelenk. Nicht schön, aber nach einer OP und anschließender Physiotherapie würde er schon bald wieder auf seinem Board die Straßen unsicher machen können.
    Â»Operation?«, sagte sein Vater und musterte mich kritisch. Seine Sorgen standen ihm ins Gesicht geschrieben.
    Â»Ja«, antwortete ich. »Aber es ist reine Routine. Der Doktor wird Ihnen das noch genau erklären.«
    Â»Wann wird er operiert?«
    In wenigen Stunden sollte Ioan unters Messer kommen.
    Â»Ich muss meine Familie informieren«, gab der besorgte Vater an und zückte sein Handy.
    Nichtsahnend, was das fürs Krankenhaus bedeuten sollte,

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