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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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ließ ich ihn in Ruhe telefonieren.
    Eine gute Stunde später, es war inzwischen kurz nach fünf, betraten ca. fünfzig Mitglieder des I.-Clans das Krankenhaus. Mutter, Großeltern, Geschwister, Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins – mit Schlafsäcken und Decken ausgestattet machten sie es sich in der Eingangshalle bequem.
    Cucu I. koordinierte seine Sippe, wies Schlafplätze zu und sorgte dafür, dass jeder mit Getränken und Stullen ausgestattet war.
    Schnellen Schrittes ging ich zu ihm.
    Â»Was ist denn hier los?«, fragte ich ihn irritiert. »Was sollen denn die ganzen Leute?«
    Â»Das ist meine Familie«, sagte er stolz. »Nur ein kleiner Teil davon natürlich. Die Familie hält zusammen, besonders in schweren Zeiten. Wir werden die Nacht durchwachen, bis wir wissen, dass mein Sohn über den Berg ist.«
    Ob er etwas falsch verstanden hatte? Oder glaubte er wirklich, ein Bänderriss könnte tödlich sein?
    Â»Sie müssen sich wirklich keine Sorgen machen«, erklärte ich ihm erneut. »Das ist eine harmlose kleine Operation. Sie können ruhig alle nach Hause gehen.«
    Â»Nein. Wir bleiben.«
    Â»Dann bleiben Sie doch mit Ihrer Frau hier«, versuchte ich, ihm einen Kompromiss schmackhaft zu machen. »Dann können Sie gemeinsam warten, bis ihr Sohn wieder aus dem OP ist, und der Rest Ihrer Familie wartet zu Hause.«
    Â»Nein. Wir bleiben alle.«
    Ich wies ihn auf vier männliche Familienmitglieder hin, die es sich vor einem der Notausgänge gemütlich gemacht hatten.
    Â»Schauen Sie mal, Sie blockieren ja die Fluchtwege. Das kann im Ernstfall lebensgefährlich sein. Das geht nicht. Sie müssen wirklich gehen.«
    Â»Wir bleiben.«
    Mit diesen Worten drehte er sich um und ging zurück zu seiner Familie. Seine Frau saß umgeben von zahlreichen Kindern und Kleinkindern auf dem Boden und verteilte Kekse, Brote und Getränke, während eine ältere Frau, vermutlich die Großmutter, aus einer Thermoskanne Tee an die Erwachsenen ausschenkte.
    Ein Kollege aus der Krankenhausverwaltung war inzwischen dazugekommen und redete vergeblich auf die Anwesenden ein. Das Gleiche versuchten unser Pförtner, ein Pfleger und zwei Stationsärzte, aber meiner Meinung nach hätten sie genauso gut mit den Pflanzen reden können. Der Clan um Cucu I. bewegte sich keinen Zentimeter. Inzwischen reagierte keiner von ihnen mehr auf uns, und alle unterhielten sich nur noch auf Romani.
    Â»Das hat doch keinen Zweck«, sagte ich zu Dr. Claas H., der sich das ganze Spektakel kopfschüttelnd anschaute. »Ich rufe die Polizei.«
    Er nickte zustimmend, und wenig später waren die Polizisten vor Ort. Sie kamen mit fünf Mannschaftswagen und mussten jedes einzelne, laut protestierende Familienmitglied aus der Eingangshalle hinaustragen. Teilweise schleppten sie die Leute im Schlafsack vor die Tür.
    Nach einer halben Stunde hatten sie es geschafft, und es kehrte wieder Ruhe ein. Die Eingangshalle wurde aufgeräumt, der hinterlassene Müll weggeschafft, und alle atmeten auf, dass der Betrieb wieder normal weitergehen konnte.
    Doch nur zwei Stunden später stand Familie I. wieder bei uns auf der Matte. Wieder mit Kind und Kegel, Schlafsäcken und Decken, und diesmal auch noch mit säckeweise McDonald’s-Essen, das auf dem Boden verteilt und anschließend gegessen wurde.
    Â»Wir haben keine Straftat begangen«, sagte Cucu I. zu mir. »Wir wollen nur bei unserem kranken Kind wachen, das ist kein Verbrechen, das ist unser Recht.«
    Als ich ihm gerade erneut erklären wollte, warum sich sein Clan hier nicht breitmachen konnte, drehte er mir den Rücken zu, schnappte sich einen Big Mac und setzte sich zu den anderen.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als erneut die Polizei zu rufen. Das Spiel wiederholte sich also, die fünf Mannschaftswagen fuhren vor, die Beamten – nun etwas genervter als vorher – sammelten die Familienmitglieder ein und schafften sie weg.
    Anderthalb Stunden später waren sie alle wieder da.
    Â»Ist Ioan schon operiert?«, war nun das Einzige, was Cucu I. mich fragte.
    Ich muss zugeben, ich hatte keine Lust mehr, mich mit dem Mann zu unterhalten. Familienzusammenhalt mag ja eine schöne Sache sein, aber diese alberne Dramatisierung der Situation ging mir inzwischen auf die Nerven. Was würde diese Sippe anstellen, wenn einer von ihnen wirklich ernsthaft krank werden

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