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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Waren es seine Schnüffelgewohnheiten oder die Camilla-Geschichte, die ihn so nervös machte?
    Er betrachtete die Mitreisenden in seinem Wagen. Traurige, müde Gestalten. Lauter Svenssons, Durchschnittsschweden. JW tarnte sich im selben Stil wie die meisten anderen: Acne-Jeans, Collegepulli mit Superlative-Conspiracy-Aufdruck und abgetragene Adidas-Sportschuhe an den Füßen. Er fiel nicht weiter auf. Angemessen im Hinblick auf die Begegnung mit seinen Eltern.
     
    Nach dem Gespräch mit Susanne hatte er sich entschieden. Die Sucherei war nicht länger sein Ding. Und dennoch kam es ihm merkwürdig vor, als er bei der Polizei anrief und mit dem zuständigen Beamten sprach, der sich damals um den Fall gekümmert hatte. Er legte ihm dar, was er herausgefunden hatte: dass Jan Brunéus eine Art Beziehung mit Camilla Westlund unterhalten hatte, bevor sie verschwand. Dass Susanne Pettersson davon wusste und es JW erzählt hatte. Dass Jan Camilla trotz umfangreicher Fehlzeiten Top-Noten gegeben hatte.
    Der Ermittler versprach, die Informationen genauer zu untersuchen. JW nahm an, dass er damit meinte, dass Jan Brunéus zur Vernehmung einbestellt werden würde.
    Die Tatsache, dass JW die Polizei einschaltete, wirkte wie ein Widerspruch in sich. Abdulkarim durfte davon nichts erfahren.
    Aber er fühlte sich wohler – eine schwere Last war von seinen Schultern gefallen. Er ließ die Polizei ihren Job machen.
    Sank zurück in den Zustand der Verdrängung. Richtete seinen Fokus auf K, die Uni und Sophie. Bereitete die Londonreise vor. Diskutierte gewisse Strategien mit Jorge. Verkaufte. Dealte. Verdiente Kohle.
    Er hatte sich entschieden, er würde seinen Eltern nicht erzählen, was er der Polizei erzählt hatte.
     
    In fünf Minuten würde er in Robertsfors ankommen. Sein Magen knurrte wie verrückt. War es Nervosität oder weil er hungrig war?
    Eigentlich hatte er den Eindruck, dass es die innere Unruhe vor dem Treffen mit seiner Mutter und seinem Vater war.
    Es war bald ein halbes Jahr her, dass er sich von seinen Eltern verabschiedet und den erschöpften Gesichtsausdruck seiner Mutter sowie die verbissene Miene seines Vaters zuletzt betrachtet hatte. Ging es ihnen inzwischen besser? JW hielt es nicht aus, an den tragischen, sorgenvollen Trott erinnert zu werden, der ihr Leben seither bestimmte. Sein Ziel war es, davon wegzukommen. Etwas Neues zu beginnen. Als anderer Mensch akzeptiert zu werden. Als ein besserer. Ein spannenderes Leben zu führen als eines auf Sparflamme, begleitet von der Trauer um ein verlorenes Kind. Er wollte alles hinter sich lassen.
    Der Zug rollte in den Bahnhof ein. Am Gleis: Menschen, die auf die Ankommenden warteten beziehungsweise sich selber auf die Reise machten. Die Bremsen kreischten ohrenbetäubend. Sein Wagen hielt direkt vor seinen wartenden Eltern. JW konnte sehen, dass sie nicht miteinander redeten. Wie immer.
    Er versuchte, sich zu entspannen. Froh und gelassen zu wirken. Wie es sein sollte.
    Trat hinunter auf den Bahnsteig. Zuerst sahen sie ihn nicht. Er ging auf sie zu.
    Margareta machte Anstalten zu rufen, das wusste JW . Aber aus irgendeinem Grund konnte sie seit der Geschichte mit Camilla ihre Stimme nicht mehr erheben. Stattdessen kam sie mit einem angespannten Lächeln auf ihn zu.
    Umarmungen.
    »Hej, Johan, sollen wir deine Taschen nehmen?«
    »Hej, Mama. Hej, Papa.« JW reichte Bengt eine seiner Taschen.
    Schweigend gingen sie zusammen in Richtung Parkplatz. Bengt hatte noch kein einziges Wort zu seinem Sohn gesagt.
     
    Sie saßen zu Hause in der Küche. Holzpaneele an den Wänden sowie Arbeitsflächen aus rostfreiem Stahl. Ein weißer Elektroherd von Elektrolux, auf dem Fußboden ein Kunstfaserteppich, darauf ein blanker Holztisch von Ikea. Die Stühle waren Carl-Malmsten-Imitate. Von der Decke leuchtete eine nachgeahmte Poul-Heningsen-Lampe mit warmem lilafarbenen Licht. Über der Spüle standen in einem Regal grüne beschriftete Gefäße aufgereiht: Zucker, Salz, Pfeffer, Knoblauch, Basilikum.
    Auf dem Tisch war das Essen angerichtet. Minutensteak mit Edelpilzkäsesauce. Eine Flasche Rotwein, Rioja. Eine Karaffe mit Wasser. Eine große Glasschüssel mit Salat.
    JW verspürte kaum Appetit. Das Essen schmeckte gut, wie er fand. Daran lag es nicht. Es war wirklich lecker. Seine Mutter hatte schon immer gut gekocht. Es hatte mit etwas anderem zu tun – mit der Atmosphäre, den Gesprächsthemen und damit, dass Bengt mit vollem Mund redete. Margaretas Kleidung, so geschmacklos.

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