Spür die Angst
Kontakte. Boten zweitausend Pfund. Überwiesen einen Vorschuss über Money Transfer. Wählten einen Ort für die Übergabe aus. Eine jugoslawische Pistole, eine Zastava M 57 , 7 , 63 mm, würde an der U-Bahn-Station Euston Square am siebten März um zwölf Uhr bereitliegen.
Definitiv ein Schritt nach vorne für JW . Er fühlte sich geehrt, dabei sein und direkt mit den Großen verhandeln zu dürfen. Eintritt in den VIP -Raum der K-Branche gewährt zu bekommen.
Eines beunruhigte ihn jedoch: JW hatte festgestellt, dass Abdulkarim sich zunehmend veränderte. Er redete viel mehr über den Islam und die Weltpolitik als früher. Trug neuerdings eine muslimische Kopfbedeckung. Berichtete vom letzten Freitagsgebet in der Moschee. Pries Mohammed in jedem dritten Satz, trank keinen Alkohol mehr und beschwerte sich darüber, dass die USA die Welt regierten. Nach Auffassung JW s grub der Araber sich selbst sein Grab. Es gab nur eine Loyalität – den Verkauf. Nichts anderes durfte Vorrang haben, nicht einmal Gott.
JW hatte seine Eltern seit dem Sommer nicht mehr gesehen. Der Kontakt war seitdem recht spärlich gewesen. Ein Telefonat mit Mutter Margareta alle vierzehn Tage war alles, was sie verband. Ihre wiederholten Fragen nervten ihn. Wie läuft es mit dem Studium? Kommst du uns und Oma bald wieder besuchen? Seine Antworten waren auch immer dieselben. Das Studium läuft gut, ich habe alle Prüfungen gut bestanden. Aber leider habe ich keine Zeit, zu euch hochzukommen, muss nebenbei Taxi fahren. Und nein, Mama, das ist nicht gefährlich.
Zuneigung und schlechtes Gewissen in stetem Wechsel. Jedes Mal hörte er die Angst aus Margaretas Stimme heraus. Die Befürchtung, dass ihm etwas zustoßen könnte.
Er sah Camillas Gesicht vor sich. Was wusste er, das seine Eltern nicht wussten?
Er hatte inzwischen einiges herausbekommen.
Wenn er nicht zufällig vor mehr als fünf Monaten den gelben Ferrari gesehen hätte, würde jetzt alles seinen gewohnten Gang gehen. Eine stumme Sehnsucht. Unterdrückte Trauer. Bewusste Verdrängung.
Höchstwahrscheinlich war es die Geschwindigkeit des Wagens, die ihn irritiert hatte. Das Geräusch. Das Dröhnen des Motors. Die übertriebene Arroganz, deren es bedurfte, mit mindestens fünfundneunzig Kilometern in der Stunde durch die Innenstadt zu rasen.
JW wurde vor die Alternative gestellt, entweder weiterzusuchen und möglicherweise eine unangenehme Entdeckung zu machen oder aufzugeben. Auf die ganze Sache zu pfeifen. Zu versuchen, die Geschichte hinter sich zu lassen, wie er es die ganzen Jahre zuvor getan hatte. Das Beste aber wäre wahrscheinlich, wenn er die Informationen, die er eingeholt hatte, an die Polizei weiterleitete. Und sie ihre Arbeit machen ließ.
Doch das funktionierte nicht – nicht, wenn Jan Brunéus ihnen etwas verschwieg.
JW hatte ihn angerufen. Der Lehrer war offenbar unwillig, ihn erneut zu treffen. JW versuchte, ihm Honig um den Bart zu schmieren. Beteuerte, wie froh er sei, dass Jan Camilla gekannt hatte. Jan kam mit Ausreden. Er hätte keine Zeit, müsste an einer Konferenz teilnehmen, sei krank. Müsste Klausuren korrigieren, sei auf dem Weg in den Urlaub.
Die Wochen vergingen. JW rief nicht mehr bei ihm an. Stattdessen machte er sich widerwillig noch einmal auf den Weg in die Schule.
Er machte es wie beim Mal zuvor. Stellte sich vor den Klassenraum und wartete. Derselbe schwarze Typ, der damals als Erster durch die Tür gekommen war, kam auch dieses Mal zuerst.
Jan befand sich noch im Klassenraum. JW beschlich das Gefühl eines Déjà-vu. Dieselben Mädchen wie beim letzten Mal, als er dort gewesen war, standen im Klassenraum. Sie verstauten gerade ihre Kollegblöcke in den Schultaschen.
Er blieb in der Türöffnung stehen und wartete eine Reaktion ab. Jan blieb gelassen. Kam auf JW zu. Wirkte nicht einmal verwundert.
Er begrüßte ihn: »Hej, Johan. Ich habe oft an Sie gedacht. Ich kann verstehen, wenn Sie mein Verhalten der letzen Wochen merkwürdig finden.«
JW sah ihm in die Augen.
Was für ein Mensch war Jan Brunéus eigentlich? JW hatte sich ein wenig schlaugemacht. Der Lehrer war verheiratet, kinderlos und wohnte in einem Reihenhaus in Stureby. Fuhr einen Saab. Neben der Erwachsenenbildung unterrichtete er noch am Gymnasium. Tauchte bei Google nicht auf. Äußerlich wirkte er völlig normal. Aber bei wem war das nicht der Fall?
JW antwortete ihm: »Gelinde ausgedrückt.«
»Ich habe einen Vorschlag. Wir machen einen Spaziergang. Was halten
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