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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Sophie im Aubergine in der Linnégata zum Essen verabredet.
    Er saß zu Hause und surfte im Internet. Lechzte nach einem Kaufobjekt. Superscharfe Karossen. Errechnete mit Excel seine eigene Einkommensentwicklung. Neue Verkaufsstrategien. Machte Kassensturz. Informierte sich über die Vorteile der Geldwäsche.
    Fuhr schließlich den PC herunter.
    Stand auf: Es war Zeit, Sophie zu treffen. JW in angemessener Kleidung: Guccijeans, Loafers, blaugestreiftes Pal-Zileri-Hemd mit Doppelmanschetten. Er zog den Kaschmirmantel an.
    Ging in Richtung des Aubergine. Schmutziger Schnee an den Straßenrändern. Seine Schuhsohlen waren glatter als eine mit Gleitmittel eingeriebene Bananenschale. Er konnte Sophie schon durch die Fenster erkennen. Sie sah immer gut aus, jederzeit. Allerdings erfasste man es noch nicht hundertprozentig, wenn sie saß. Als er hereinkam, stand sie auf. Ihre Schönheit schlug ihm entgegen wie eine steinharte Rechte. Shit, wie sexy sie aussah.
    Sie trug enganliegende Bluejeans, Sass & Bide, spitz zulaufende schwarze Pumps und ein ausgeschnittenes schwarzes Top, höchstwahrscheinlich aus der Boutique von Nathalie Schutermann in der Birger Jarlsgata. Sophie war dort Stammkundin.
    Er blinzelte ihr zu, flirtete ein wenig mit ihr.
    Sie lächelte. Sie umarmten sich. Küssten sich flüchtig.
    JW setzte sich zu ihr. Bestellte ein Bier. Sophie hatte bereits ein Glas Rotwein vor sich stehen.
    Das Restaurant war in L-Form angelegt. Mit großen Fenstern. Die schwarzlackierten Tische in diskretem Abstand zueinander. An der Schmalseite befand sich der Barbereich. Geschwungene Eisenstrukturen an der Decke fungierten als Lampen, die für ein warmes Licht sorgten.
    Das Gros der Gäste bestand aus Rechtsanwälten und Börsenmaklern, die ihr After-work-Bier tranken, flotten Bräuten, die auf einen Aperitif hereinkamen, und Östermalmpaaren, die zum Essen blieben, Tête-à-tête.
    Sie gaben ihre Bestellung auf.
    JW legte den Arm um Sophie.
    Sie nippte an ihrem Wein. »Du siehst müde aus.«
    Manchmal hatte sie eine Art an sich, die ihn nervös machte. Wenn sie ihren Blick auf ihn heftete, schaute er immer weg.
    »Ich glaub, ich schlaf zu wenig.«
    »Aber letzte Woche hast du noch zu mir gesagt, dass du müde wärst, weil du zu viel geschlafen hättest. Da hattest du bis drei Uhr nachmittags geschlafen. Ist das dein Rekord?«
    JW fuhr mit dem Finger über den beschlagenen Rand seines Bierglases. »Ich glaub nicht. Das war an dem Wochenende, als ich von meinen Eltern zurückkam. Man wird träge, wenn man zu viel schläft. Hab mich bei ihnen wohl ziemlich hängenlassen.«
    »Das ist ja das Verrückte. Es gibt immer einen Grund, müde zu sein. Es kann total gegensätzliche Ursachen haben. Eigentlich ziemlich absurd, oder? Man ist müde, weil man zu wenig geschlafen hat oder zu viel, wegen der Dunkelheit im Winter oder aufgrund von Frühjahrsmüdigkeit. Man fühlt sich müde, weil man einen ganzen Tag lang gefaulenzt hat oder weil man zu aktiv gewesen ist.«
    »Stimmt. Alle haben irgendwelche Ausreden dafür, dass sie müde sind. Ausgepowert, weil sie im Studio zu hart trainiert haben oder weil sie ihr Gehirn für eine Prüfung überstrapaziert haben. Müde, weil es so warm ist oder weil ihnen die Kälte die Kräfte raubt. Die Leute haben immer einen Grund, müde zu sein. Aber jetzt fällt mir ein, warum ich fast am Einschlafen bin. Ich war gestern Abend unterwegs.«
    JW redete weiter. Über den gestrigen Abend. Über die exaltierten Ideen seiner Freunde. Über ihren Colarausch. Plapperte drauflos. Sophie war eine gute Zuhörerin, fragte in den entscheidenden Pausen nach, nickte im richtigen Moment, lachte an den passenden Stellen. Sophie wusste inzwischen gewisse Details aus seinem wirklichen Leben – sie wusste, dass er mit den Boys dealte –, aber sie wusste nichts über den Umfang. Bei weitem nicht.
    Sophie lehnte sich zurück. Sie schwiegen eine Weile. Verfolgten heimlich die Diskussion am Nachbartisch.
    Schließlich fragte sie: »Welche anderen Freunde hast du eigentlich außer den Boys?«
    In JW s Gehirn: stressiger Analyseprozess in Sekundenschnelle. Ringen nach halbwegs akzeptablen Formulierungen. Was zum Teufel sollte er sagen? Dass er nur die Boys als Freunde hatte und folglich als Person mit wenig Umgang dastand? Andere Freunde erfinden? So wie Alfons, der heimliche Freund von Willi Wiberg. Nein, er konnte nicht noch mehr Lügen in seinem Kopf unterbringen. Die Antwort war: ein Kompromiss, eine Halbwahrheit.
    »Na

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