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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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haben wir direkte Instruktionen von R gekriegt. Und zwanzig Prozent vom Gewinn bekommen. Haben ein halbes Jahr wild gefeiert, bis es wieder Zeit für den nächsten Deal wurde. Beim zweiten Mal haben wir dann auf Order von Nenad gejobbt. Ich glaub, es war ein Jahr, bevor ich reingewandert bin. Wir haben uns im Kafé Ogo getroffen, du weißt schon, Joksos Stammlokal. Nenad stellte sich vor, sagte, dass wir ihn den Patrioten nennen sollten, da er schon immer auf der Seite der Serben gestanden hatte. Diesen Typen war es ernst. Nenad gehörte zu den Knallharten, hatte Kriegstätowierungen auf den Knöcheln. Am Tisch saßen noch zwei andere Typen. Sie sagten die ganze Zeit kein Wort. Aber einen von ihnen hab ich aus der Kneipe wiedererkannt, Stefanovic. Einer von den Jüngeren, die damals für Radovan gearbeitet haben. Nenad hat uns Honig um den Bart geschmiert. Von unserem letzten erfolgreichen Transport geschwärmt. Er wusste viel über mich, aber das war nichts Ungewöhnliches, denn wir haben oft für die Jugos gearbeitet. Bin ja selber Serbe.«
    Darko machte eine Pause. Seine Augen leuchteten. Er schien in alten Erinnerungen zu schwelgen. Den Kick zu lieben. Die Spannung. Oder?
    Sie gingen quer über den Hötorg.
    »Nenad hat uns in den Plan eingeweiht. Es ging um eine große Lieferung H. Wir sollten sie mit LKW aus der Region um Belgrad abholen, wie beim Mal zuvor. Er meinte, das Zeug würde diesmal ziemlich gestreckt sein und viel Platz in Anspruch nehmen. Wir haben natürlich nichts kapiert. Die ganze Chose bis ins Detail geplant. Zwei Sattelschlepper mit deutschen Nummernschildern organisiert, von denen jeder zwei Container laden konnte. Fahrer besorgt, Zollbeamte geschmiert, Genehmigungen gefakt. Den ganzen Klimbim. Offiziell haben wir Maschinenteile aus der Türkei über den Balkan transportiert. Nenad hat uns genaue Instruktionen gegeben. In jedem Container sollten mindestens zwei Kubikmeter Platz für die Ladung bleiben. Als wir dann unsere Kontaktpersonen außerhalb von Belgrad trafen, kamen sie in einem alten Bus von der Armee vorgefahren, in Militärkleidung und mit automatischen Waffen. Sie hatten vier Frauen bei sich. Ich dachte, sie würden uns zu Wodka und ’nem netten Stelldichein mit den Mädels einladen. Nach einer Weile hab ich’s dann kapiert. Es war überhaupt nicht geplant, H zu transportieren. Wir sollten Leute transportieren. Erst dachte ich, dass es Flüchtlinge wären.«
    Jorge und Darko gingen gemächlich die Vasagata entlang. Am Hauptbahnhof vorbei. Die Reihe der parkenden Taxis war lang. Jorge fragte: »Und wer waren die Kontaktpersonen?«
    »Keine Ahnung. Aber wir haben die Mädels den ganzen Weg hierhergeschafft. Sie durften nicht ein einziges Mal aussteigen. Und in dem Sommer war es verdammt heiß. Als wir durch Deutschland fuhren, zeigte das Thermometer sechsunddreißig Grad an. Weiß der Teufel, wie sie die Reise lebend überstanden haben. Dreißig Stunden auf zwei Kubikmetern, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wenigstens hatten sie Wasser. Wir haben sie dann im Hafen von Södra Hammarby rausgelassen, war ja damals noch unbebautes Industriegebiet. Ich seh jetzt noch ihre Gesichter vor mir, als sie aus den Containern krochen – total verheult, dunkelgrau im Gesicht. Ringe unter den Augen, die sie zwanzig Jahre älter aussehen ließen. Wenn ich wenigstens vorher gewusst hätte, was ich da transportieren sollte, so ein Scheiß. Dann hätte ich nein sagen können. Aber sie hatten wenigstens Wasser.«
    Jorge ignorierte Darkos reumütiges Gefasel. Im Moment war es völlig unwichtig, ob die Huren Wasser gehabt hatten oder nicht. Er fragte: »Und wer hat euch in Empfang genommen?«
    »Radovan, Nenad, Stefanovic und noch ein paar andere.«
    »Radovan?«
    »Ja. Ich hab ihn erkannt, auf Fotos, die ich im Kafé Ogo gesehen hab.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Ich bin mir genauso sicher, wie ich weiß, dass ich damals kein H transportiert hab.«
    »Und wer waren die anderen?«
    »Keine Ahnung, wer sie waren, außer Nenad und Stefanovic. Tut mir leid.«
    »Wie viel habt ihr gekriegt?«
    »Jeder hundertfünfzig. Für alles. Inklusive Bestechungsgelder und Fahrerlöhne.«
    Jorge kochte innerlich vor Wut.
    Brodelte.
    Hass.
    Eine Spur.
    Radovan im Hurensumpf.
    Jorge nahm die Jagd auf.

32
    JW s Luxusproblem: Er hatte innerhalb von vier Monaten dreihundertachtzigtausend auf die hohe Kante gelegt und dennoch wie ein Ölscheich konsumieren können – was sollte er nur mit all dem Geld

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