Spür die Angst
Motion.
Blutrünstige Bilder mit hitzigen Schlägereien. Auf Fahdi wirkten sie anscheinend inspirierend.
Er begann, von einem Typen zu berichten, den er vor zwei Jahren erschossen hatte.
JW lachte reflexartig laut los.
Jorge wollte mehr wissen.
Er fragte Fahdi: »Hast du keine Angst, irgendwann in den Knast zu wandern?«
Fahdi lachte und antwortete stolz. »Ich niemals Angst. Angst was für Schwule.«
»Und was machst du, wenn die Bullen auftauchen?«
»Hast du Léon gesehen?«
»Qué?«
»Kapierst du nicht?«
»Hast du etwa ’ne Waffe zu Hause?«
»
Habibi,
natürlich. Wollt ihr mein Arsenal mal sehen?«
JW war aufrichtig neugierig. Sie folgten Fahdi ins Schlafzimmer. Quietschende Schranktüren. Fahdi wühlte in den dunklen Ecken seines Kleiderschranks. Warf etwas aufs Bett. JW konnte erst nicht sehen, was es war. Doch dann realisierte er es; vor ihm auf dem Bett lag eine abgesägte Schrotflinte, eine Winchester. Mit doppeltem Lauf. Fünf gelbe Schachteln mit Patronen desselben Fabrikats. Zwei Pistolen der Marke Glock. Eine Machete mit Isolierband um den Griff. Fahdis Gesicht strahlte wie das eines Kindes unterm Weihnachtsbaum. »Und mein bestes Stück kommt erst noch.« Er beugte sich erneut in den Schrank hinein. Zog eine automatische Karbin 5 hervor. »Schwedisches Militär. Nicht übel, oder?«
JW gab sich gelassen. Eigentlich war er geschockt – Fahdis Zuhause war eine reine Rüstkammer. Ein Kriegsbunker mit scharfer Munition mitten im tristen Vorort.
Jorge grinste.
Als JW später am Abend nach Hause kam, verzichtete er darauf, Sophie anzurufen. Er konnte nur schwer einschlafen.
33
Mrado hatte sein Debüt als Friedensvermittler gegeben. Es funktionierte gut. Er dachte: Vielleicht hätte ich Karriere als UN -Mann machen sollen. Doch dann besann er sich: Fick die UN in den Arsch, sie haben Serbien verraten.
Innerhalb der letzten drei Wochen hatte er sich mit diversen Bossen getroffen. Magnus Lindén, ein halsstarriger, einfältiger Rechtsextremist. Anführer von Brödraskapet Wolfpack. Ahmad Gafani, Anführer der Fittja Boys mit dem klassischen ACAB -Tattoo auf dem Nacken: All Cops Are Bastards. Naser – Anführer der Albaner. Konnte kaum Schwedisch, aber beschiss die Schweden jedes Jahr um Millionen. Männer mit zu viel Macht. Psychopathen. Ohne Respekt. Ohne Hemmungen. Und zugleich Draufgänger ohne Plan. Er kam zu dem Schluss: Die Jugos waren nach wie vor besser. Es war an der Zeit, den anderen zu sagen, wo’s langging.
Hells Angels und Bandidos hatten den Krieg wiederaufgenommen. Schon zwei Leute waren draufgegangen, aus jedem Club einer. Fittja Boys stritten sich mit Original Gangsters um die Beute von drei Raubüberfällen auf Sicherheitstransporte, die sie gemeinsam mit Männern von ihnen durchgeführt hatten. In Kumla lagen Mitglieder der OG und Bandidos im Clinch. In Hall hatte neulich ein Mitglied der HA einen Mann aus der Naserliga mit einem Kugelschreiber erstochen. Vier gezielte Stiche in den Hals. Chop-chop.
Kurzum: Im Stockholmdschungel und den dazugehörigen Trabantenstädten war gerade der dritte Weltkrieg ausgebrochen. Und das Novaprojekt der Bullenpisser setzte dem Ganzen die Krone auf. Mrado war davon überzeugt, dass sie den Krieg manipulierten. Aus dem eskalierten Hass und der Gewaltbereitschaft den eigenen Vorteil zogen. Die Leute sangen, um den Feind hochgehen zu lassen. Im Krieg waren viele bereit, Risiken einzugehen, den Schutzschild zu senken, Sicherheiten aufzugeben. So dass die Bullen sich einschleusen konnten. Ihnen Infos entlocken konnten. Bisheriges Fazit: mehr als dreißig Verurteilte.
Mrado war auf dem Weg in ein Industriegebiet in Tullinge, das in der Nähe des Hauptquartiers der Bandidos lag. Für Mrado war bei dieser Art von Zusammenkunft wichtig, dass sie sich nicht
in
den Bunkern der Bandidos trafen. Der Boden musste neutral sein.
Er hatte in der letzten Nacht sauschlecht geschlafen. War um halb vier aufgewacht. Schweißgebadet. Ekelhaft. Das Laken völlig zerwühlt. Fragmente von Erinnerungen an Lovisa. Im Garten spielend, in ihrem Zimmer, auf dem Sofa vor dem Videogerät. Einen Schneemann bauend, mit einer Nase aus ihrer eigenen Wachsmalkreide. Die Schlaflosigkeit stresste ihn. Whisky bewirkte gar nichts. Auch die Stereoanlage einzuschalten und serbische Balladen zu hören half nichts. Man konnte mehrere Tage hintereinander mit nur drei, vier Stunden Schlaf in der Nacht über die Runden kommen. Aber nicht über Wochen hinweg. Er musste
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